Personen

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Alphabetisch | Chronologisch *
Aegidius Romanus
Anselm von Canterbury
Anselm von Laon
Averroes (Ibn Ruschd)
Berengar von Tours
Bernhard von Clairvaux
Dominikus de Guzman
Franz von Assissi
Gerhard von Cremona
Gottfried von Fontaines
Gratian
Heinrich von Friemar d. Ä.
Heinrich von Gent

Heinrich von Nördlingen
Hugo von Saint-Victor
Joachim von Fiore
Johannes von Basel
Johannes Buridan
Jordan von Quedlinburg
Marsilius von Padua
Michael Scotus
Moses Maimonides
Nikolaus von Kues
Nikolaus von Landau
Peter Abälard
Petrus de Alvernia

Petrus Comestor
Petrus Damiani
Petrus Lombardus
Phillip von Mallorca
Raimundus Lullus
Richard von Saint-Victor
Robert Grosseteste
Roscelin von Compiègne
Rulman Merswin
Siger von Brabant
Wilhelm von St.-Thierry
Chronologisch | Alphabetisch *
11. Jh.
Berengar von Tours
Petrus Damiani
Anselm von Canterbury
Roscelin von Compiègne
11. / 12. Jh.
Anselm von Laon
Peter Abälard
Wilhelm von St.-Thierry
Hugo von Saint-Victor
12. Jh.
Bernhard von Clairvaux
Gratian
Petrus Lombardus
Petrus Comestor

Richard von Saint-Victor
Gerhard von Cremona
Averroes (Ibn Ruschd)
Joachim von Fiore
Moses Maimonides
12. / 13. Jh.
Dominikus de Guzman
Robert Grosseteste
Franz von Assissi
Michael Scotus
13. Jh.
Heinrich von Gent
Petrus de Alvernia
Raimundus Lullus
Siger von Brabant

Aegidius Romanus
Gottfried von Fontaines
13. / 14. Jh.
Heinrich von Friemar d. Ä.
Marsilius von Padua
14. Jh.
Phillip von Mallorca
Heinrich von Nördlingen
Jordan von Quedlinburg
Johannes Buridan
Nikolaus von Landau
Rulman Merswin
Johannes von Basel
15. Jh.
Nikolaus von Kues
Autoren Dominikaner Franziskaner Frauen Namenregister

Man lobt nâch tôde manegen man,
der lop zer werlde nie gewan.

Freidank, S. 80/81
Man preist im Grabe manchen Mann,
der lebend niemals Lob gewann.
Freidank 61,9
[30.11.04]

Berengar von Tours
  * Tours um 1000 , † Saint-Côme (bei Tours) 6.1.1088
Scholastischer Theologe. - Seit 1040 Leiter der Schule von Tours und Archidiakon von Angers; wurde wegen seiner symbolischen Eucharistielehre (er nahm nur symbolische Präsenz Christi in Brot und Wein an) auf mehreren Synoden verurteilt. [PC-Bib] [15.5.04]

Petrus Damiani
  * Ravenna um 1007 , † Faenza 22./23.2.1072
Italienischer Kirchenlehrer, Benediktiner. - Seit 1035 Einsiedler in Fonte Avellana (bei Fabriano); seit 1043 dort Prior einer Einsiedlergemeinde; seit 1057 Kardinal; Vertreter strengster Askese; erstrebte eine Reform von Klöstern und Kirche. Sein umfangreiches literarisches Werk wurde v.a. in den Reformbewegungen des 14. und 15. Jahrhunderts rezipiert. Petrus Damiani wird in der katholischen Kirche, obgleich nie heilig gesprochen, als Heiliger verehrt (Tag: 21.2.). [PC-Bib] [15.5.04]

Anselm von Canterbury
  * Aosta 1033 , † Canterbury 21.4.1109
Scholastischer Philosoph und Theologe. - Seit 1060 Benediktiner in Bec (Normandie), seit 1078 Abt; 1093 Erzbischof von Canterbury. - Seine Bedeutung auf philosophisch-theologischem Gebiet liegt in dem Bemühen, den christlichen Glauben ohne die Autorität von Bibel und Kirche einsichtig zu machen ("credo ut intelligam" - "ich glaube, um zu erkennen"). Im "Proslogion" ("Anrede", 1078) formuliert er den ontologischen Gottesbeweis: "Der Begriff von Gott ist etwas, zu dem nichts Größeres gedacht werden kann, was aber nur dann der Fall ist, wenn das, zu dem nichts Größeres gedacht werden kann, auch existiert, sonst würde ihm die Qualität des Seins fehlen." - Sein theologisches Hauptwerk ist "Cur Deus homo" (Warum Gott Mensch wurde, 1097-99), in dem er seine Lehre von der "Satisfaktion" (Christus ist gestorben, um für die Sünde der Welt "Genugtuung" zu leisten) vorträgt. [VoL 1, S. 383 f.] [17.3.00]

Roscelin von Compiègne
  * um 1045 , † nach 1120
Französischer Philosoph und Theologe. - Vertrat einen frühen Nominalismus (vgl. Universalienstreit), nach dem die Universalien nur Laute ("flatus vocis") sind, wirklich aber nur das individuelle Einzelding ist. Deshalb wird aus der Trinität als Einheit der drei Personen Gottes in einem Wesen Gottes ein Aggregat von drei Substanzen; von der Synode von Soissons (um 1092) verurteilt. [VoL 9, S. 693] [17.3.00]

Anselm von Laon
  * um 1050, † 15. Juli 1117
Französischer Theologe. - Schüler des Anselm von Canterbury in Bec, stand seit ca. 1080 (zusammen mit seinem Bruder Radulf) der Kathedralschule in Laon vor und brachte diese in Zusammenarbeit mit Wilhelm von Champeaux († 1122) zu hohem Ansehen, das viele Zeitgenossen rühmen: Johannes von Salisbury, Rupert von Deutz, Gottfried von Auxerre und Philipp von Harvengt, der seinem Lehrer einen begeisterten Nachruf widmete. Dieses Ansehen muß trotz der scharfen Kritik auch Abaelard bestätigen. Mit den beiden Formen seiner Schriftauslegung, einer ausführlichen Kommentierung und einer knappen Glossierung, hat Anselm der frühscholastischen Theologie sachlich und methodisch den Weg gewiesen. Bei aller Verschiedenheit der Vätersentenzen muß deren Übereinstimmung gesucht werden, z.B. in der Streitfrage der theologischen Deutung des göttlichen Wollens. Darüber schrieb er an Heribrand, Abt von St. Laurentius in Lüttich: »Sententiae .. diversae, sed non adversae, in unam concurrunt convenientiam ..« ("Die verschiedenen, aber nicht widersprüchlichen Sentenzen der Väter kommen ineins zur Übereinstimmung"). Zu seinen Werken zählen ein Psalmenkommentar, ein Kommentar zum Hohenlied sowie Fragmente eines Genesis- und Paulinenkommentars.
  Von Anselm ging auch die Initiative aus zu einem umfassenden, vornehmlich auf Vätersentenzen beruhenden, aber auch die magistri moderni (z.B. Manegold von Lautenbach, Berengar von Tours, Lanfranc) berücksichtigenden Glossenwerk zum AT und NT, das im ganzen Mittelalter als Glossa benutzt wurde und seit dem 15. Jahrhundert (unkritisch und fälschlich unter dem Namen des Walahfrid Strabo [† 849]) als »Glossa ordinaria« gedruckt wurde.
  Nach gegenwärtiger, unvollendeter Forschung der Entstehung und Überlieferung der Glossa (ordinaria) stammen von Anselm die Glossen zum Psalter, zu den Paulusbriefen und wahrscheinlich auch die zum Johannesevangelium. Die Glosse zum Matthäusevangelium wird Radulf zugeschrieben. Von Gilbertus Universalis († 1134 als Bischof in London) stammen die Glossen zum Pentateuch, zu den großen Propheten und den Klageliedern.
  Durch die Erneuerung der Schriftauslegung gab Anselm in seiner Schule auch entscheidende Impulse zur Renaissance der Theologie im 12. Jahrhundert als »sacra pagina«, d.h. der an der Heilsgeschichte (Schöpfung und Erlösung) orientierten Schrifttheologie. Die in der Literaturgeschichte »der Schule Anselms von Laon und Wilhelms von Champeaux« zugewiesenen Sentenzensammlungen gehören nicht in ursprungsgeschichtlicher, literarhistorischer, sondern nur in wissenschafts- und problemgeschichtlicher Sicht zur Schule von Laon. Die auf Anselm zurückgehenden Einzelsentenzen, wurden aber nach glaubhafter Überlieferung bereits in der Schule von Laon gesammelt und (systematisch?) zusammengestellt. H. J. F. Reinhardt, [LdM Bd. 1, Sp. 687 f.] [28.1.07]

Petrus Abaelard
  * Le Pallet bei Nantes 1079, † Kloster Saint-Marcel bei Chalon-sur-Saône 21.4.1142
Französischer Theologe und Philosoph. - Schüler des Roscelin von Compiègne, später Wilhelm von Champeaux. Lehrte insbesonders Dialektik in Melun, Corbeil und Paris, wo seine Liebe zu Heloise, seiner Schülerin, begann, deren Oheim, der Kanoniker Fulbert, ihn entmannen ließ. Gilt als richtungsweisender Hauptvertreter der Frühscholastik vor allem auf den Gebieten der Logik, Erkenntnistheorie und einer philosophisch fundierten Theologie. Im Universalienstreit vertrat er eine vermittelnde Position: Nach ihr sind die Universalien als Übereinstimmungen "in den Dingen" (in rebus) zwar existent, doch nur von Menschen erfundene Wörter; andererseits sind sie aber auch nicht nur willkürliche Festsetzungen menschlicher Rede, sondern haben ihre Norm in der "Natur der Dinge". Zwar hielt er grundsätzlich an der Autorität der Offenbarung fest, trug aber zugleich zur Emanzipation der Vernunft bei, der er in Zweifelsfällen die Möglichkeit begründeter eigenständiger Entscheidung zuerkannte. Seine Liebe zu Heloise stellte Abälard in der "Historica calamitatum mearum" (zwischen 1133 und 1136) unter Beifügung eines wohl fingierten Briefwechsels dar. [VoL 1, S. 12] [17.3.00]

Wilhelm von Saint-Thierry
  * Lüttich, um 1075 (Alcuin), 1075/80 (Wikipedia), 1085/90 (LdM), † Signy 8.9.1148
Kirchenschriftsteller. - Der aus dem Rittertum stammende Wilhelm studierte in Reims und Lyon, 1113 wurde er Benediktiner in St. Nicaise/Reims und 1119 (oder 1121) Abt in St.-Thierry. Er unterstützte die Reformen in seinem Orden, trat aber 1135 zu den strengeren Zisterziensern über, und zwar als einfacher Mönch in Signy. Wilhelm war ein Bewunderer und enger Freund Bernhards v. Clairvaux, den er in die Auseinandersetzung mit Abaelard trieb. Er verfaßte insgeheim das 1. Buch von Bernhards Vita, die trotz ihrer unumgänglichen hagiographischen Stilisierung eine der authentischsten Biographien der Epoche darstellt.
  Wilhelms Werke umfassen neben Briefen u.a. eine Widerlegung der Thesen Abaelards, einen Glaubensspiegel, einen Eucharistetraktat, Exegese der Paulus-Briefe und, am einflußreichsten, mehrere Schriften zur Mystik wie "Über die Betrachtung Gottes" und die "Meditativen Gebete". (..) Besonders weit rezipiert, da oft Bernhard zugeschrieben, war Wilhelms "[Goldener] Brief an die Brüder vom Gottesberg", ein mystagogisches Traktat für die Kartäuser von Mont-Dieu, dessen zentrales Thema die irdische Gotteserfahrung, "nicht Gott zu sein, aber doch zu sein, was Gott ist", bildet.
  Die Gottesliebe ('amor', 'varitas', 'dilectio') steht im Zentrum von Wilhelms Lehre. Sie allein ist fähig, die Seele zu reinigen und zu heiligen, damit sie der Vereinigung mit dem Herrn würdig wird und zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt (neuplatonische Tradition). In "Über Natur und Würde der Liebe" vollzieht Wilhelm eine Verschmelzung der negativen und der positiven mystischen Theologie. Zur Meditation wird besonders die Betrachtung des Erdenlebens Jesu empfohlen (Passionsmystik); wenn man sich ihr "in der inneren Zelle" des Herzens widmet, kommt dies geradezu dem Empfang der Eucharistie gleich. P. Dinzelbacher (geringfügig gekürzt), [LdM IX, Sp. 186f.] [12.3.12]

Hugo von Saint-Victor
  * um 1097, † Saint-Victor 11.2.1141
Theologe und Philosoph. - Möglicherweise ostsächsischer Herkunft, früh erzogen im regulierten CSA Stift Hamersleben / Diözese Halberstadt. Jung in das 1113 durch Ludwig VI. gegründeten Stift Saint-Victor in Paris eingetreten, entfaltete Hugo eine intensive Wirkung als Lehrer (De institutione novitiorum) und als Verfasser propädeutischer, exegetischer, systematischer und spiritueller Werke.
  Die Authentizitätsfrage ist für manche Schriften ungeklärt. Unter den propädeutischen Werken kommt dem Didascalicon de studio legendi zentrale Bedeutung zu: Wissenschaftslehre und Einführung in das Studium mit origineller Systematik (Theorik, Praktik, Mechanik, Logik als Untergruppen der sapientia; neben den Artes erhalten handwerkliche Techniken [innerhalb der Mechanik: Weberei, Schmiedekunst, Landwirtschaft, Jagd] bemerkenswert hohen Rang) im ersten, Grundlagen der Exegese im zweiten Teil. De scripturis et scriptoribus sacris behandelt die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn. Exegetische Arbeiten stehen im Zentrum von Hugos Werk, weil er richtiges Schriftverständnis als obersten Wert aller Studien ansah. Zahlreiche Kommentare zu alttestamentlichen Schriften wenden die dreistufige Exegese im Dienst spiritueller Erkenntnis an. Systematisches Hauptwerk ist seine umfassende Darstellung der Heilszeichen des christlichen Glaubens (De sacramentis christianae fidei: Die sichtbare Welt mit ihrer Geschichte ist ein Zeichensystem, das auf die jenseitige Welt verweist und methodisch entziffert werden kann. Ehrfurcht vor dieser aus göttlichem Licht existierenden Weltordnung (In Hierarchiam coelestem S. Dionysii Areopag.) führte zu einer Reihe von Schriften über Lebensführung (De arca Noe morali), Welterkenntnis (De vanitate mundi) und die Hinwendung zu Gott (De modo orandi). 15 Briefe (u.a. an Bischof Gottfried von Châlons, Walter von Mortagne, Bischof Johannes von Sevilla, Bernhard von Clairvaux) sind bisher bekannt.
  Hugo konstituierte mit seiner Lehrtätigkeit und durch seine handschriftlich weit verbreiteten Arbeiten die Schule von Saint-Victor als eine der bedeutendsten im Paris des 12. Jahrhunderts. Die Wirkung beruht v.a. auf dem spirituellen Gehalt und den methodischen Anregungen des Werkes, dessen Geschichtskonzeption folgenreich war. Sie ergab sich für Hugo 1. aus seiner Bewahrung der dreistufigen Exegese, die im Gegensatz zur dialektischen Behandlung der Glaubenswahrheiten positives Wissen für die erste Stufe (historia) forderte; 2. aus der Überzeugung, daß Schöpfungs- (opus conditionis) und Erlösungswerk (opus restaurationis) Gottes heilsgeschichtlich aufeinander bezogen sind; 3. aus der Zeichenhaftigkeit aller irdischen Befunde und Ereignisse. Auch die »profane« Geschichte ist deshalb als verborgene Botschaft Gottes theologisch hochrangig und mit den am Schriftstudium bewährten exegetischen Methoden deutbar. Damit hat Hugo auch auf Historiographie und »Geschichtstheologie« (Otto von Freising) gewirkt. Petrus Lombardus, Alexander von Hales, Bonaventura, Albertus Magnus stützten sich auf Lehren Hugos; bis zur Reformation waren seine spirituellen Werke geradezu populär (Devotio moderna). J. Ehlers, [LdM V, Sp. 177] [9.2.04]

Bernhard von Clairvaux
  * Schloß Fontaine bei Dijon um 1090, † in Clairvaux (Aube) 20.8.1153
Zisterzienserabt, Mystiker. - Stammte aus burgundischem Adel, trat 1112 in das Reformkloster Cîteaux ein, begründete 1115 mit 12 anderen Mönchen Clairvaux, von dem zu seinen Lebzeiten weitere 68 Filialgründungen ausgingen. Der Orden der Zisterzienser wurde von ihm wesentlich mitgeprägt. Seine Mystik wurde bestimmend für das ganze Mittelalter, sein Einfluß auf Predigt und geistliches Leben reicht bis weit in die Neuzeit. Von seinen Werken sind fast 900 Handschriften erhalten: Predigten, Abhandlungen; Hauptwerk: "De consideratione" (1149-52). [VoL 2, S. 175] [17.3.00]

Gratian
  * Ende des 11. Jh, † Bologna vor 1160
Italienischer Theologe (Kamaldulensermönch) und Kanonist. - Verfaßte um 1140 ein nach scholastischer Methode angelegtes Lehrbuch des Kirchenrechts (das den ersten Teil des Corpus Juris Canonici bildet), mit dem er durch seine ausführlichen Erläuterungen zum "Vater der Kanonistik" wurde. [VoL 4, S. 694] [17.3.00]

Petrus Lombardus
  * Novara-Lumellogno (Lombardei) um 1095, † Paris 21./22.7.1160
Italienischer scholastischer Theologe. - Kam um 1133 durch die Vermittlung von Bernhard von Clairvaux nach Paris, bedeutendster Schüler von Peter Abälard, ab 1159 Bischof von Paris. Sein Hauptwerk, die "Sentenzen" ("Libri quattuor sententiarum", 1148-52; Erstdruck um 1471) - daher der Beiname Magister sententiarum - wurde (wegen seiner systematischen Klarheit) das dogmatische Handbuch der folgenden Jahrhunderte. Es ordnet den theologischen Lehrstoff in der seitdem üblichen Reihenfolge: Gotteslehre, Schöpfungslehre, Lehre von der Erlösung, Sakramentenlehre (Festlegung von sieben Sakramenten) und Eschatologie (Lehre von den letzten Dingen). Bis ins 16. Jh. in Gebrauch, formte es bis dahin das theologische Denken (bis 1972 wurden 1407 'Sentenzenkommentare' gezählt). [VoL 9, S. 29 f.;BE 14, 452] [17.3.00]

Petrus Comestor
  * um 1100 in Troyes, † 22.10.1187 in Paris
Theologe, 'Historiker'. - Theologische Studien in Troyes, Tours und Paris. Seit 1147 Dekan in Troyes. 1158-59 Nachfolger seines Lehrers Petrus Lombardus an der Schule von Notre-Dame; seit 1168 Kanzler. Letzte Lebensjahre in der Abtei S. Victor.
  Werke: Evangelien-Glossen, Sentenzenkommentare, De Sacramentis, Glossen zum Psalmenkommentar des Petrus Lombardus, Quaestiones Theologiae, Sermones. Sein Hauptwerk Historia Scholastica (vollendet 1169-73), eine Zusammenfassung der biblischen Geschichte bis zu Christi Himmelfahrt, wurde grundlegend für das Studium des Litteralsinnes, von Petrus von Poitiers mit einer Historia Apostolorum ergänzt, von Stephan Langton und Hugo von St-Cher kommentiert, ins Französische, Deutsche, Niederländische, Portugiesische und Tschechische übersetzt, versifiziert und dramatisiert. R. Quinto, [LdM Bd. VI, Sp. 1967 f.] [28.1.07]

Richard von Sankt Viktor
  * ??, † 10.3.1173
Theologe und Philosoph. - Nach 1141 CSA, Novizenmeister, 1159 Subprior, 1162 Prior. Vermutlich angelsächsischer Herkunft trat er wohl noch zu Lebzeiten Hugos in die Abtei St. Victor ein und prägte, wie sein umfangreiches Oeuvre belegt, in dessen Nachfolge die Tradition der Klosterschule, die, der Einheit von theologischer Denk- und religiöser Lebensform verpflichtet, wissenschaftliche Erkenntnis mit spiritueller Erfahrung zu verbinden suchte. Das Ziel der wissenschaftlichen Sicherung der durch die Hl. Schrift und die Schöpfung vermittelten Erkenntnis setzt eine Methodenreflexion voraus, die Richard im Anschluß an Hugos »Didascalicon« im »Liber Exceptionum« leistet. Durch die Beachtung einer der Schrift- und Wirklichkeitsauslegung (scriptura, natura) angemessenenen Methode wird das wissenschaftlich richtige Verständnis des Textes garantiert, in dem sich Gott als dessen Autor offenbart. Richards theologisches Denken entfaltet sich daher v.a. in der Bibelauslegung, sei es in der Kommentierung (Offb., teilweise Ez., evtl. Hohelied), sei es in der Allegorese von Perikopen bzw. darin beschriebener Gegenstände, deren bildliche Einheit ihm die systematische Einheit des theologischen Gedankens sichert.
  Wie, nach Richard, im Bibeltext nicht nur der Wortlaut, sondem jeder Gegenstand als solcher auslegungsbedürftig ist, wird auch in der Deutung der Wirklichkeit über den ursächlichen Zusammenhang zwischen Gott und seiner Schöpfung hinaus nach der Bedeutung gefragt, die Gott dem Geschöpf verleiht. Der Erkenntismodus, in dem der Symbolgehalt der Wirklichkeit zuverlässig ermittelt wird, ist die Betrachtung (contemplatio), auf die er in seiner Schrift »Benjamin Minor« im Zusammenhang einer Rangordnung der Erkenntniskräfte hinweist. In der Schrift »Benjamin Maior« deutet er contemplatio im neuplatonischen Bild eines in sechs Stufen vollzogenen Erkenntnisaufstiegs, dessen Gipfel die Betrachtung des einen und dreifaltigen Gottes ist. Dieser widmet Richard seine Schrift »De Trinitate«, in der er aufgrund der Entsprechung (similitudo) zwischen Schöpfer und Geschöpf aus der Erfahrung menschlicher Liebe die Trinität als den Inbegriff des Gottesgedankens erweist. M.-A. Aris, [LdM VII, Sp. 825] [9.2.04]

Gerhard von Cremona
  * Cremona um 1114, † Toledo 1187
Italienischer Gelehrter. - Ist der herausragende Übersetzer philosophischer und naturwissenschaftlicher Werke aus dem Arabischen, ja in dieser Beziehung die wichtigste Figur des lateinischen Mittelalter [Das sah Roger Bacon anders]. In den vierziger Jahren des Jahrhunderts verließ Gerhard seine lombardische Heimat und ging nach Toledo, um der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt auf arabisch erhaltene - sonst verlorene Werke der Antike, aber auch die zeitgenössische wissenschaftliche Literatur der arabischsprachigen Welt (z.T. Kommentare zur antiken Literatur) zugänglich zu machen. Über vierzig Jahre erstellte er in Spanien neben eigenen Schriften ein Übersetzungsoeuvre, das über achtzig Titel enthält. Zunächst konzentrierte er sich auf den Almagest des Ptolemaios, erweiterte aber dann seine Tätigkeit in enzyklopädischem Umfang mit dem Schwergewicht auf Philosophie, Astronomie, Mathematik, Geometrie und Medizin. An der Übersetzung des Almagest wirkte auch der Mozaraber Galippus mit. Gerhard war jedoch, entgegen der üblichen Annahme, nicht Haupt oder Mitarbeiter einer »Übersetzerschule«. Er überarbeitete häufig vorhandene arabisch-lateinische Übersetzungen, rekurrierte dabei auf die arabischen Originale, behielt adäquate lateinische Formulierungen bei und standardisierte die Terminologie. Auslassungen seiner lateinischen Vorlagen ergänzte er durch Neuübersetzung aus dem Arabischen. Er blieb nahe am Original, behielt womöglich dessen Konstruktionen bei und bemühte sich um exakte Wiedergabe. Unter den übersetzten philosophischen Texten sind zu nennen: Aristoteles: 2. Analytik, Themistius: Kommentar zur 2. Analytik, al-Farab: Kommentar zur I. Analytik; physikalische Schriften des Aristoteles, der Liber de causis, ferner Schriften von Alexander von Aphrodisias, al Kindi (darunter De aspectibus, De rerum gradibus und der Liber de quinque essentiis); unter den naturwissenschaftliche Schriften u.a. Werke von Archimedes, Euklid, al Hwarizmi, Ptolemaios, Gabir ibn Aflah (Astronomie), Masa allah, Tabit ibn Qurra (Astrologie), von den medizinischen Schriften sind die Übersetzungen von Werken des Rhazes (Al-Razi) und des Galen hervorzuheben. E. Meyer, [LdM IV, Sp. 1317] [9.2.04]
  1150: Arabic numerals are introduced into Europe with Gherard of Cremona's translation of Ptolemy's Almagest. The name of the "sine" function comes from this translation. [The MacTutor History of Mathematics archive ] [13.2.07]

Averroes (Ibn Rušd, Abu'l-Walid Muhammad, Ibn Ahmad ibn Muhammad, al Hafid)
  * Córdoba 1126, † Córdoba 11.12.1198
Arabischer Philosoph, Theologe, Jurist und Mediziner. - Averroes [im Mittelalter "der Kommentator" genannt] stammte aus einer bedeutenden Juristenfamilie. Seit seiner Jugend erwarb er umfassende Kenntnisse in den islamischen Wissenschaften seiner Zeit; er studierte islamische Theologie und Rechtswissenschaft (fiqh) von Grund auf und hatte darüber hinaus literarisch-poetische, mathematische, medizinische und besonders philosophische Interessen.
  Der Philosoph Ibn Tufail führte ihn am Hof des almohadischen Herrschers Abu Ya'qub Yusuf ein, der ihn beauftragte, das gesamte Werk des Aristoteles zu kommentieren, um damit dem Leser den Zugang zum Verständnis zu ermöglichen. Yusuf ernannte Averroes 1169 zum Richter in Sevilla. 1171 kehrte er nach Córdoba zurück. 1182 trat er als Leibarzt des Herrschers an die Stelle von Ibn Tufail. Er wurde zum Vertrauten von Yusufs Sohn, fiel jedoch infolge einer Hofintrige, welche die reaktionäre Partei gegen die Philosophen ins Werk gesetzt hatte, 1195 in Ungnade. Seine Bücher wurden verbrannt und Averroes selbst nach Lucena verbannt. Er kam jedoch bald wieder zu Ansehen und starb in Córdoba.
  Werke: Averroes hinterließ als unermüdlicher Arbeiter ein gewaltiges Werk. Seine Schriften lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: 1. Die Kommentare zu Aristoteles und Platon; 2. Die originalen Werke.
  Besonders die Aristoteles-Kommentare nahmen den größten Teil seines Gelehrtenlebens in Anspruch. Diese Kommentare sind folgendermaßen zu gliedern:

  1. Der kleine Kommentar, im lateinischen Westen »Epitome« oder »Summa« genannt, in dem Averroes von Anfang bis Ende selbst spricht und die Lehre des Aristoteles zusammenfaßt
  2. Der mittlere Kommentar, genannt »talhis«, der sich Abschnitt für Abschnitt an den Text anschließt und nur die ersten Worte des kommentierten Textes bringt
  3. Der große Kommentar, genannt »tafsir«, in welchem jeder Abschnitt des Textes in seiner Gesamtheit wiedergegeben und vollständig erklärt wird.
  Diese Schriften wurden zum größten Teil übersetzt, sehr früh ins Hebräische, später ins Lateinische, und fanden in der westlichen Welt eine große Leserschaft. Doch ging die Hälfte dieser Kommentare in ihrer arabischen Originalfassung verloren. Von 38 Kommentaren des Averroes zu Aristoteles sind nur 28 im arabischen Originaltext erhalten, von den 28 sind neun lediglich in hebräischer Schrift überliefert, während 36 in hebräischer Übersetzung erhalten blieben. Von Platons Werken kommentierte Averroes den »Staat«.
  Lehre: Als überzeugter Philosoph von sehr ausgeprägt intellektueller, ja rationalistischer Haltung, betrachtete Averroes Aristoteles als Inkarnation der Vernunft; von dieser Voraussetzung gehen seine Thesen im wesentlichen aus. Averroes ist sicher der aristotelischste der arabischen Philosophen des Mittelalters. Er betrachtet das Universale und die Kausalität als Fundament der sicheren philosophischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Gott übt eine transzendierende Kausalität aus. Er ist der erste Beweger, er erschafft unmittelbar die Vielfalt der Wesen und nicht - wie nach der avicennischen Vorstellung - durch dazwischentretende selbständige Intelligenzen. Doch kennt Gott nur das Universale, eine Auffassung, die den ausdrücklichen Feststellungen des Koran widerspricht. Desgleichen hat Gott die Welt ewig geschaffen, schon die erste Materie selbst war ewig. Seine Interpretation des Koran-Textes beruht auf der Unterscheidung der drei Kategorien des Geistes: demonstrativ, d.h. nur apodiktischem Argument zugänglich; dialektisch: der Geist der Theologen; schließlich rhetorisch: der Geist des Volkes.
  Besonders seine Theorie des Intellektes hat tiefste Wirkungen ausgeübt, v.a. im Westen, wo seine Schüler das, was man den lateinischen Averroismus genannt hat, prägten. Nicht nur der aktive Intellekt ist getrennt und einzig, sondern auch der passive Intellekt hat keinen persönlichen Charakter: Er ist eine ausschließlich körperliche Tätigkeit, intelligible Formen aufzunehmen; er vergeht mit dem Körper. G. C. Anawati, [LdM Bd. I, Sp. 1291 f.] [27.1.07]
  Averroes vertritt den Monopsychismus, lehrt die Ewigkeit der Welt und die Einheit Gottes (gegen die christliche Trinitätslehre). Er leistet für die Scholastik einen bedeutenden Beitrag zur Differenzierung des Begriffsapparats; seine Lehren (vgl. Averroismus) sind Gegenstand der Auseinandersetzungen in der christlichen, islamischen und vor allem jüdischen Philosophie und Theologie des Mittelalters. Sie werden u.a. von Thomas von Aquin und Albertus Magnus abgelehnt. [VoL 1, S. 674] [17.3.00]
  (Vgl. Artikel: L. Hödl, Lateinischer Averroismus)

Joachim von Fiore
  * in Celico bei Cosenza um 1130, † San Giovanni in Fiore bei Cosenza um 1202
Italienischer Theologe, Mönch und Ordensgründer. - Zunächst Abt des Zisterzienserklosters Corazzo, bis er um 1190 in Fiore (Kalabrien) einen eigenen Orden und ein Kloster gründete, um Wege zu einer intensiveren Verwirklichung mönchischer Lebensformen zu suchen. In umfangreichen Schriften, wie in der Concordia Novi et Veteris Testament (Übereinstimmung des Neuen und des Alten Testaments), entwickelte er eine Geschichtstheologie (s.a. Chiliasmus), derzufolge nach dem Zeitalter des Alten und dem des Neuen Testaments in Kürze ein vollkommenes des Heiligen Geistes anbrechen würde, in dem die Bindung an den Buchstaben des Neuen Testaments durch unmittelbare Erleuchtung der Gläubigen überwunden werden sollte. [AGM, S. 288]
  Joachim sagte in seinem Evangelium aeternum die Ankunft eines tausendjährigen Reiches der Gerechtigkeit voraus, dem das "schreckliche Gericht über die entartete Kirche und die verderbte Welt" vorangehen werde. Er leugnete die Notwendigkeit des kirchlichen Kults, darunter auch der Sakramente, und predigte als höchstes Ideal der Christenheit die Armut. [Grigulevic, S. 165]
  Die Wirkungsgeschichte dieser prophetischen Geschichtsdeutung läßt sich über Hegel und Schelling bis in die politische Geschichte der Gegenwart nachweisen. [VoL 6, S. 63]. [17.3.00]
  (Vgl. Artikel: Eduard Winter, Ketzerschicksale)

Moses Maimonides (Rabbi Moshe Ben Maimon, gen. Rambam)
  * Córdoba 30.3.1135, † Al Fustat (= Kairo) 13.12.1204
Jüdischer Philosoph, Gelehrter und Arzt. - Lebte ab 1165 in Ägypten, wo er als Arzt und Repräsentant der ägyptischen Judenheit tätig war. Er gilt als der bedeutendste jüdische Religionsphilosoph des Mittelalters. Zugleich genießt er als Kodifikator des jüdischen religiösen Gesetzes höchste Anerkennung. Seine Hauptwerke sind: 1. Der Kommentar zur Mischna, in dem er die 13 Glaubensartikel formulierte, die später Aufnahme in das jüdische Gebetbuch gefunden haben. 2. Eine "Wiederholung der Lehre", in der er das religiöse Gesetz- und Traditionsgut systematisierte. 3. "More nebukim" (Führer der Unschlüssigen, Verwirrten). In diesem zentralen Werk der mittelalterlichen jüdischen Religionsphilosophie sucht er einen Ausgleich zwischen Aussagen des Aristotelismus und jüdischer Glaubenlehren herbeizuführen, wobei er auch neuplatonische Elemente übernimmt. Er hat auf die christliche Scholastik stark eingewirkt, vor allem auf Thomas von Aquin und Albertus Magnus. In seinen medizinischen Schriften folgte er weitgehend den Anschauungen Galens (um 129 - um 199). [VoL 7, S. 326]
  1233 werden seine besonders umkämpften Schriften in Montpellier verbrannt, wobei sich die orthodoxen Juden gegen ihn mit den Dominikanern verbündet hatten. [Stein, S. 532] [17.3.00]

Dominikus
  * Caleruega (Provinz Burgos) um 1170, † Bologna 6.8.1221
Spanischer Ordensstifter. - Entstammte dem angesehenen Geschlecht der Guzmán. Studierte in Palencia. 1195 Kanoniker am Domstift von Osma. Seit 1206 entwickelte sich von ihm angeregt in Toulouse eine Genossenschaft von Priestern, die, in völliger Armut lebend, sich der Bekehrung der Albigenser (Katharer) widmen sollten; der daraus entstandene Orden wurde 1216 von Papst Honorius III. bestätigt. 13 Jahre nach seinem Tod, 1234 von Gregor IX. heiliggesprochen. - Festtag: 8. August. [VoL 3, S. 287] [8.3.02]

Robert Grosseteste
  * Stradbroke (Suffolk) vor 1170, † Buckden (Buckinghamshire) 9.10.1253
Englischer Philosoph, Naturforscher und Theologe. - 1214-21 Kanzler der Universität Oxford, 1235 Bischof von Lincoln. Grosseteste wirkte durch Übersetzungen (u.a. »Nikomachische Ethik«) und Kommentare zu Aristoteles nachhaltig auf Roger Bacon, Albertus Magnus, Duns Scotus u.a. ein. Lange vor Galilei und Descartes stützte sich Grosseteste in seiner Naturforschung (»Über den Regenbogen«; »Über die Farben«; »Über die Wärme der Sonne« u.a.) auf mathematisch-quantitative Methoden. Seine Naturphilosophie wird von der neuplatonischen Lichtmetaphysik getragen, mit deren Hilfe Grosseteste die Entstehung der Vielheit der Dinge aus der Einheit des Seins zu erklären suchte. [PC-Bib] [15.11.04]

Franz von Assisi (Giovanni Bernardone)
  * Assisi 1181/82, † Assisi 3.10.1226
Italienischer Ordensstifter. - Stammte aus wohlhabender Familie. Nach Krankheit und Bekehrungserlebnissen pflegte er Aussätzige und führte ein Bettlerleben. Seit 1209 schlossen sich ihm einige Gefährten an. Er gab ihnen Texte des N.T. als Lebensnorm (erste Regel) und verpflichtete sie als "Mindere Brüder" zum Dienst an Menschheit und Kirche in Armut und Buße. Innozenz III. billigte diese Lebensform 1210 mündlich. Das folgende Jahrzehnt diente dem Aufbau der rasch wachsenden Brüdergemeinschaft. 1212 gesellte sich durch die Bekehrung der adligen Klara von Assisi eine Schwesterngemeinschaft hinzu. Über die eigenen Gemeinschaften hinaus zog Franz Frauen und Männer in seinen Bann, die sich im Dritten Orden zusammenfanden und mitten in der Welt nach seinem Programm lebten. 1221 gab er seinem Orden eine vorläufige zweite Regel, die 1223 durch die endgültige Regel (Regula bullata, durch Bulle Honorius III. bestätigt) ersetzt wurde. Franz selbst trat schon 1220 von der Leitung des Ordens zurück. Seine Frömmigkeit fand in seinen Schriften (Regeln, Worte der Ermahnung, Sendschreiben, Gebete und besonders im Sonnengesang) ihren Ausdruck. [VoL 4, S. 213]
  Franziskus wollte für sich und seine Brüder eigentlich keine Ordensregeln, ihm genügte die Botschaft Jesu: "Willst Du vollkommen sein, so geh hin, verkaufe, was du hast, und gib es Armen" (Matth. 9, 21). 1222 zog er sich in die Einsamkeit von Alverna, einem kleinen Kloster, zurück. Auf seine Bitte, am Leiden Jesu Anteil haben zu dürfen, wurde er am Michaelistag - nach anderer Überlieferung am Tag der Kreuzfindung - des Jahres 1224 nach 40 Tage langem Fasten auf dem Berg La Verna stigmatisiert: der Gekreuzigte in Gestalt eines Seraphs, von sechs Seraphenflügeln überhöht und bedeckt, oder von einem solchen getragen, neigte sich ihm; seitdem trug Franziskus, vom Leidenserlebnis Christi durchdrungen, die Wundmale an Händen, Füßen und an der Seite, aber er verheimlichte sie, so daß sie erst bei seinem Tod erkannt wurden; dies war die erste bezeugte Stigmatisierung der Kirchengeschichte.
  Die Entbehrungen und die Erschöpfung beeinträchtigten zunehmend seine Gesundheit, schließlich drohte Franziskus auch zu erblinden. Zur Behandlung kam er nach Siena, doch er lehnte weitere medizinische Hilfe ab, diktierte sein Testament und ließ sich unter großem Geleit nach Portiuncula zurücktragen. Dort starb er auf bloßem Boden liegend und nackt, um auch im Sterben Jesus ähnlich zu sein, umgeben von seinen Ordensgenossen, mit denen er gemeinsam und in froher Erwartung "seines Bruders Tod" das Abendmahl gefeiert hatte. [Heiligenlexikon ]
  In der von Elias von Cortona erbauten Kirche San Francesco in Assisi wurde er begraben und bereits zwei Jahre später von Gregor IX. heiliggesprochen. [VoL 4, S. 213] [17.3.00]

Michael Scotus
  * vor 1200, † um 1235
Gelehrter und Übersetzer. - Aus Schottland oder Irland. Wirkte in Toledo und im Umkreis Friedrichs II. Über ihn liegen nur wenige verläßliche Informationen vor. Michael spielte eine wichtige Rolle in der Vermittlung arabischer astrologischer Werke sowie in der lateinischen Aristoteles / Averroes-Rezeption, späteren Generationen galt er jedoch in erster Linie als Magier. Bereits »magister« begegnet Michael im Gefolge des Erzbischofs Rodrigo von Toledo beim 4. Laterankonzil 1215. 1217 beendete er in Toledo mit Hilfe des »Abuteus levita« die Übersetzung von al-Bitrugis »Kitab fi l-hai'a«. 1220 hielt er sich in Bologna auf. 1224-27 verwendeten sich Honorius III. und Gregor IX. für ihn unter ausdrücklicher Erwähnung seiner Bildung und Sprachkenntnisse bei Stephan Langton, Erzbischof von Canterbury; Michael besaß in dieser Zeit mehrere Lehen in England und Schottland, lehnte die Ernennung zum Erzbischof von Cashel in Irland hingegen wegen mangelnder Kenntnisse der Landessprache ab. Bis zu seinem Tod (ungefähres Datum aus einem Gedicht des Heinrich von Avranches zu erschließen) wirkte Michael als Astrologe im Umkreis Friedrichs II.
  Übersetzungen: al-Bitrugi »kitab fi l-hai'a«; Aristoteles »De animalibus«, vor 1220 beendete erste lateinische Übersetzung der drei arabisch vorliegenden Bücher Historia animalium, De partibus a., De generatione, die durch die Rezeption bei Albertus Magnus großen Einfluß erlangte; Avicenna »Abbreviatio de animalibus«, Friedrich II. gewidmet, der den Text für sein »De arte venandi« benutzte; Aristoteles »De caelo« mit dem Kommentar des Averroes.
  Eigene Werke: »Liber Introductorius« (L.I.), bestehend aus a) »Liber quatuor distinctionum« (L.q.d.) bislang fälschlicherweise mit dem Titel des Gesamtwerkes bezeichnet (Burnett), Einführung v.a. in Astronomie, Astrologie, Meteorologie, Medizin, Musik und Komputistik; b) »L. Particularis« (L. Part.), kürzer und gleichsam ein Supplement zum »L.q.d.« auf höherer Ebene, mit den Fragen Friedrichs II. an Michael; c) »L. Physiognomie« (L. Phys.), auch »De secretis nature«, in den Hss. mit einem Traktat »De urinis«, behandelt im 1. Teil v.a. Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft und Embryologie, im 2. und 3. Teil die eigentliche Physiognomie. Ferner: »Ars Alchemie« (oder »Magisterium«; »Divisio philosophiae«, fragmentarisch überliefert bei Vinzenz von Beauvais; Kommentar zu Sacroboscos »De sphera«; »Vaticinium« (die Zukunft einiger italienischer Städte betreffende Prophetie, wörtlich auch bei Salimbene von Parma); Beschreibung der Folgen einer Zwillings-Fehlgeburt (galt lange als Tumor-Beschreibung, O'Neill); kleinere alchemistische und medizinische Texte. S. Ackermann, [LdM Bd. VI, Sp. 606 f.] [27.1.07]

Heinrich von Gent
  * Gent um 1217, † Paris 29.6.1293
Philosoph und Theologe. - Bedeutender Repräsentant der neoaugustinischen Strömungen am Ende des 13. Jahrhunderts. Magister artium in Paris, danach Magister der Theologie (Lehrstuhl ca. 1275 - ca. 1292), gleichzeitig Archidiakon von Brügge, danach von Tournai.
  Wichtige Werke: a) »Quodlibeta« (Erstdruck, Paris 1518), b) »Summa« (Quaestiones ordinariae), aus der Vorlesungstätigkeit erwachsen, c) zugeschriebene Predigten: »Serma in synodo«, feria 2 post 'Misericordia Domini', 1287 und »Sermo in die festo s. Catharinae«, gehalten für die Magister und Studenten der Universität von Paris. Weitere, sehr wahrscheinliche Zuschreibungen: erster Teil einer Lectura ordinaria super Sacram Scripturam; Quaestiones in VIII libros Physicorum Aristotelis; Syncategoremata (Traktat zur Logik). Eine Signatur von (nun verlorenen) Briefen von seiner Hand befand sich im 14. Jahrhundert in der päpstlichen Bibliothek von Avignon. Weniger wahrscheinliche Zuschreibungen: Liber de virginitate, Summa de poenitentia, Quaestiones super Metaphysicam Aristotelis, Quaestiones super Librum de causis.
  Seit Ende des 16. und im 17. Jahrhundert wurde Heinrich vom Orden der Serviten als eines ihrer Mitglieder angesehen, und zwar aufgrund einer wahrscheinlich falschen Interpretation eines Dokuments. Das Studium seiner Lehre wurde deshalb im Orden vorgeschrieben. Heinrich nimmt zwischen dem Sein und der Wesenheit des Geschöpfes nur einen Intentionalunterschied an, und nicht, wie Thomas von Aquin und die Thomisten, einen Realunterschied. In einer spiritualistischen Auffassung vom Menschen, die sich derjenigen Platons und Avicennas annähert, sieht er in der forma corporis das Mittel, durch das die geistige Seele den Leib beherrsche und informiere. Im Gegensatz zu Aristoteles betont er den aktiven und autonomen Charakter von Intellekt und Willen. R. Macken, [LdM IV, Sp. 2091 f.] [9.2.04]

Petrus de Alvernia
  * Crocq (Auvergne) ?, † Clermont 25.9.1304
Kanoniker von Clermont. - Seit 1286 von Paris, am 7. Mai 1275 durch den Kardinallegaten Simon von Brion zum Rektor der Universität Paris bestellt. Um 1283 fing er an, Theologie zu studieren, 1296-1302 Magister der Theologie in Paris, verfaßte in dieser Zeit die überlieferten sechs Quodlibeta; 1302-04 Bischof von Clermont. Er setzte den Kommentar des Thomas von Aquin zu De caelo und Politica fort (gedruckt unter den Werken des Thomas), schrieb selbst Aristoteleskommentare, orientierte sich aber in seiner Theologie stärker an seinen Lehrern Heinrich von Gent und Gottfried von Fontaines. M. Gerwing, [LdM VI, Sp. 1961] [9.2.04]

Raimundus Lullus
  * Palma 1232/33 (1235 ?), † Bougie oder Tunis 1315 oder 1316
Katalanischer Dichter, Theologe und Philosoph. - Lehrte mit Unterbrechungen zwischen 1283 und 1313 in Paris und Montpellier. Ab 1263 unternahm er den Versuch, die alleinige Wahrheit der christlichen Lehre zu erweisen und vor allem die arabische Welt zu missionieren. 1276 gründete er die Missionsschule von Miramar (Mallorca). Nach seiner Auffassung muß der Glaube durch den Verstand unterstützt werden, der die Glaubenswahrheiten aus den Prinzipien einer christlichen Universalwissenschaft, der "Ars magna" streng deduziert. In der Philosophie wandte er sich gegen den Averroismus und die Lehre von der doppelten Wahrheit.
  Wegen seiner umfassenden enzyklopädischen Werke wurde er als "Doctor illuminatus" bezeichnet; der an ihn anknüpfende "Lullismus" gilt als eine der großen Strömungen der spanischen Philosophie. Der katalanischen Sprache verhalf er durch seinen philosophischen Roman "Blanquerna" (1282-87), durch zahlreiche erzählende Schriften und Gedichte zum Rang einer Literatursprache. [VoL 7, S. 255] [17.3.00]

Siger von Brabant
  * in Brabant um 1235, † Orvieto 10.11.1284
Brabantischer scholastischer Philosoph. - Nach Verurteilung von 13 Lehrsätzen (1270) 1276 Anklage wegen Häresie, der er sich durch Flucht entzog; 1277 Verurteilung seiner Lehrsätze durch Bischof Tempier (vgl. Paris). Gilt als erster und führender Vertreter des sogenannten lateinischen Averroismus im 13. Jahrhundert an der Pariser Universität, postulierte vor allem die Eigenständigkeit der Philosophie gegenüber der Theologie. [VoL 10, S. 521] [17.3.00]

Aegidius Romanus
  * Rom um 1243, † Avignon 22.12.1316
Bedeutender scholastischer Denker und Haupt der Augustinerschule. - Seit ca. 1258 Augustiner-Eremit, war er 1269-72 in Paris Schüler des Thomas von Aquin. Doch erlangte er dort wegen seines Eintretens für den Aristotelismus gegenüber dessen Verurteilung von 1277 erst 1285 einen Lehrstuhl. 1292-95 wirkte er als Generalprior seines Ordens, 1295 bis zum Tod als Erzbischof von Bourges. Seine mehr als 60 authentischen Werke sind nur z.T. gedruckt, darunter seine geschätzten Aristoteleskommentare, die für die Seinsmetaphysik beachtenswerten Theoremata de ente et essentia, seine Frühschrift »De erroribus philosophorum«, seine bedeutenderen theologischen Werke wie Sentenzenkommentar, Quodlibeta und exegetische Schriften. Für Philipp den Schönen von Frankreich schrieb er um 1280 seinen im Mittelalter sehr beliebten Fürstenspiegel »De regimine principum« (Repr. Frankfürt 1968). Mit seiner Schrift »De ecclesiastica potestate« trat er 1301/02 für die Oberhoheit des Papstes auch in weltlichen Dingen ein. Mit seinem Traktat »Contra exemptos« (Repr. Frankfurt 1968) von 1310 nahm er im Templerprozeß Stellung. Wegen der Gründlichkeit, Klarheit und Originalität seines Denkens hat ihn das Mittelalter den tiefgründigen Lehrer (doctor fundatissimus) genannt. Seine Lehre ist aristotelisch-thomistisch orientiert, besitzt aber einen starken neuplatonisch-augustinischen Einschlag. In seinem Orden entwickelte sich im Anschluß an ihn eine in vielen prinzipiellen Fragen der Philosophie und Theologie einheitliche Lehrrichtung, durch die er über das Mittelalter hinaus lebendig blieb. A. Zumkeller, [LdM I, Sp. 178] [9.2.04]

Gottfried von Fontaines
  * vor 1250, † 1306/09
Theologischer Magister und Aristoteliker. - Lehrte in Paris 1285-1303/04. Gottfried schrieb 15 »Quodlibeta« und »Quaestiones disputatae«. Er verwarf die Realdistinktion von Essenz und Existenz und verteidigte die Einheit der substantialen Form, die er als Formalprinzip der Individuation begriff. Fraglich ist, ob die ihm zugeschriebene Lehre von der Sukzession akzidenteller Qualitäten tatsächlich von ihm vertreten wurde. J. F. Wippel, [LdM IV, Sp. 1603] [9.2.04]

Heinrich von Friemar der Ältere (Henricus de Alemania)
  * Friemar (Thüringen) um 1245, † Erfurt 18.10.1340
Angesehener Prediger und Augustinertheologe. - Vorwiegend thomistischer Prägung. Ca. 1290-1300 und 1315-18 Provinzial, seit 1305 Magister der Theologie in Paris. 1311/12 auf dem Konzil von Vienne. Seit 1317 Magister regens des Erfurter Studienhauses. (Er begründete das dortige Studium generale und war wohl auch am Aufbau der Klosterbibliothek beteiligt).
  Heinrichs weit verbreitete, z.T. auch ins Mittelhochdeutsche und Niederdeutsche übersetzte asketisch-mystische Schriften haben spürbaren Einfluß auf das religiöse Leben des deutschen Spätmittelalter ausgeübt. Werkauswahl: Quodlibet (um 1306), »Commentaria in libros Ethicorum Aristotelis« (1310), »De X praeceptis« (1324), »De origine ... ordinis fratrem s. Augustini«, »Opus sermonum de sanctis«, »De quattuor instinctibus«, »De adventu Verbi in mentem«, »De occultatione vitiorum sub specie virtutum«. A. Zumkeller, [LdM IV, Sp. 2091] [9.2.04]

Marsilius von Padua (Marsilio dei Mainardini)
  * Padua um 1275, † München 1342/43
Italienischer Staatstheoretiker. - 1313 Rektor der Universität Paris; Kontakt mit dem Averroisten Johannes von Jandun, unter dessen Einfluß der "Defensor pacis" (1324) entstand, eine Schrift, in der eine auf der Lehre der Volkssouveranität fußende antiklerikale Staatstheorie entwickelt wird, verbunden mit Forderungen nach Unabhängigkeit der staatlichen Gewalt von der kirchlichen und Unabhängigkeit der Bischöfe vom Papst. Nach einem allgemeinen Konzil 1327(??) wurden fünf Thesen des "Defensor pacis" für häretisch erklärt und Marsilius als Ketzer verurteilt. [VoL 7, S. 423]. [17.3.00]
  (Vgl. Artikel: Eduard Winter, Ketzerschicksale)

Philipp von Mallorca
  * 1288, † Neapel 1340/43
Infant, Visionär. - Freund und Anhänger des Angelus Clarenus. Wirkte als päpstlicher Gesandter bei Friedensverhandlungen zwischen Sizilien und Neapel 1316. Auf Mallorca versammelte er Anhänger spiritualer Ideen um sich, förderte die Ansiedlung spiritualer Gruppen auf Sizilien sowie die Verbreitung der Lehren des Petrus Johannes Olivi an den Höfen der Anjou und Aragón. Als sein Neffe Jakob 1335 die Regierung übernahm, verzichtete er auf alle Würden und Benefizien, da er sich mit seiner spiritualen "familia" in Neapel niedergelassen hatte. Griff die Bulle "Cum inter nonnullos" Johannes' XXII. als häretisch an. L. Vones, [LdM VI, Sp. 2078 f.] [4.7.03]

Heinrich von Nördlingen
  * ??, † nach 1356
Prediger. - Der Weltpriester Heinrich von Nördlingen ist als Nonnenseelsorger und Propagator mystischen Gedankenguts eng mit der Frauenmystik des 14. Jahrhunderts verbunden. In seiner Heimatstadt Nördlingen leitete er einen Zirkel frommer Frauen und knüpfte Beziehungen zu den Zisterzienserinnenkloster der Kaisheimer Jurisdiktion, dem Dominikanerinnenkloster Engelthal und deren Priorin Christine Ebner. Besonders eng gestaltete sich seine geistliche Freundschaft zu der Dominikanerin Margarete Ebner im Kloster Maria Medingen (1332 bis zu deren Tod 1351), die auf seine Veranlassung ihre mystische Vita niederschrieb. Durch seine Parteinahme für das Avignoneser Papsttum zum Exil gezwungen (1338), fand Heinrich auf Johannes Taulers Vermittlung Zuflucht im papsttreuen Basel, wo er einen Kreis von mystisch gesinnten "Gottesfreunden" um sich sammelte. Die Umsetzung von Mechthilds v. Magdeburg "Fließendem Licht der Gottheit" aus dem Neudeutschen ins Alemannische dürfte diesem Kreis zuzuweisen sein. 1350 kehrte Heinrich in seine schwäbische Heimat zurück und verbrachte seine letzten Jahre in unstetem Wanderleben.
  Heinrich ist nicht als origineller mystischer Schriftsteller hervorgetreten; seine (meist in der Zeit des Exils entstandenen) Briefe - früheste Zeugnisse einer in den Laienkreisen des 14. Jahrhunderts geschätzten persönlich gefärbten Erbauungsliteratur - erhalten ihre Bedeutung als Dokument der mystisch geprägten Religiosität oberdeutscher religiöser Zirkel. P. Schmitt, [LdM IV, Sp. 2104] [12.3.12]

Jordan von Quedlinburg (auch de Saxonia) OESA
  * Quedlinburg um 1300, † (Wien) 1380 (1370?)
Bedeutender geistlicher Schriftsteller und Prediger. - Nach Studien in Bologna und Paris wirkte er als Lesemeister an den Generalstudium der Augustiner in Erfurt und Magdeburg und war 1346-51 Provinzial der sächsisch-thüringischen Ordensprovinz. Der mystischen Bewegung seiner Zeit stand er aufgeschlossen gegenüber und wurde u.a. durch Meister Eckhart beeinflußt. Er ist Verfasser mehrerer großer Predigtwerke, die schon im Mittelalter weite Verbreitung erlangten und in Auszügen ins Mittelniederdeutsche und Niederländische übertragen wurden. Sein reifstes Werk »Liber Vitasfratrum« bietet ein anschauliches Bild vom Geist der Augustinusregel und von Entstehung und Wesen seines Ordens. Sehr geschätzt werden seine »Meditationes de passione Christi«, die stark auf die spätmittelalterliche Frömmigkeit eingewirkt haben. A. Zumkeller, [LdM V, Sp. 629] [9.2.04]

  "Die Frucht seiner fleißigen Predigttätigkeit waren drei umfangreiche Predigtsammlungen. Die erste hat den Titel 'Opus postillarum et sermonum de evangeliis dominicalibus' (..) Im ganzen umfaßt die Sammlung 460 Nummern, die sich über das ganze Kirchenjahr erstrecken. (..) Die beiden andern Sammlungen sollen nach der Intention des Verfassers zusammen ein Werk bilden. (..) Man sagt aber, Ior und Dan seien die beiden Quellen, aus denen der Jordan fließe. So solle aus einer Sammlung von 'Sermones de tempore' ('Opus Ior') und einer zweiten von 'Sermones de sanctis' ('Opus Dan') ein neues Predigtwerk entstehen. Dank seines eisernen Fleißes konnte Jordan beide Sammlungen vollenden: 'Opus Ior' umfaßt 292 Predigten, 'Opus Dan' 271. (..) In allen drei Sammlungen finden sich Exzerpte aus den Schriftauslegungen Eckharts. Die meisten sind der Auslegung des Johannesevangeliums (..) entnommen. Nur gelegentlich werden die beiden Genesisauslegungen und die Exodusauslegung benutzt. Die Auslegung des Weisheitsbuches scheint Jordan nicht gekannt zu haben. (S. 286)
  Beginnen wir mit dem 'Opus Ior'. (..) Ich habe hier nur in Sermo 103 Auszüge aus In Ioh. n. 448-455 gefunden. (..) In das 'Opus Dan' hat Jordan aus der Johannesauslegung Eckharts den Sermo über das Thema 'Sequere me' (In Ioh. n. 226-248) als Nr. 165 aufgenommen. (..) Der Variantenapparat zeigt, daß Jordan mehr mit der Kueser als der Berliner Handschrift zusammengeht. Das ist für die Beurteilung anderer Stellen deshalb wichtig, weil dieser Sermo der einzige zusammenhängende Text aus Eckharts lateinischen Werken ist, der im 15. Jahrhundert zum Druck kam, und er ist auch der erste überhaupt, wie wir noch sehen werden. (S. 287)
  Bei dem 'Opus postillarum et sermonum' liegen die Dinge komplizierter, aber auch interessanter. (..) Im ganzen kann man etwa 115 Exzerpte zählen. Davon entfallen auf den Prolog 94 (LW III n. 1-166, S. 3-137), und zwar 70 auf die erste, 24 auf die zweite 'Expositio'. Bei der ersten folgt Jordan im großen und ganzen dem Fortgang der Eckhartschen Auslegung; so beruht Jordans Nr. 68 auf Eckhart In Ioh. n. 33. 34. 40. 51 + 8 und 9; die sehr umfangreiche Nr. 69 In Ioh. n. 52. 53. 61-63, 66-70, 74. 76-78 und 80. [Und in] Sermo 90 (..): In Gen. I n. 299-300; In Gen. II n. 218; In Exodum n. 146-148. Es geht an all diesen Stellen um den unaussprechlichen Namen Gottes. (S. 287/88)
  Seitdem Frau Stillwell in ihrem Katalog mitteilte, daß in einem in amerikanischen Privatbesitz befindlichen Exemplar [des Opus Dan] von gleichzeitiger Hand das Jahr 1481 eingetragen ist, datiert man diese Inkunabel 'nicht nach 1481'. Zwei Jahre später erschien das 'Opus postillarum'. Am Schluß des Folianten lesen wir: '(..) Impressum Argentine Anno domini MCCCCLXXXIII'. Der 417 Blätter umfassende Band, dessen Papier noch heute nicht vergilbt ist, ist wirklich ein prächtiges Werk." (S. 289 f.) [s.a. 2006 zum Buch von Kapr über Johannes Gutenberg]

Josef Koch, Die ältesten Drucke des lateinischen Eckhart, in: Hundert Jahre Kohlhammer. 1866-1966, Kohlhammer Stuttgart u.a. 1966, S. 284-291 [31.5.06]

Johannes Buridan
  * 1304/05 in der Picardie, † 11.10.1358/59/60
Philosoph. - Vor 1328 Beginn der Lehrtätigkeit an der Pariser Artistenfakultät, deren Mitglied er zeitlebens blieb, ohne in eine der höheren Fakultäten zu wechseln. 1327/28 und 1340 Rektor der Universität Paris. Wahrscheinlich reiste er zweimal an die Kurie nach Avignon. Seine Schriften sind in einer ungewöhnlichen Vielzahl von Redaktionen erschienen. Es darf als gesichert gelten, daß die Masse seiner erhaltenen Werke in der vorliegenden Form erst in seinem letzten Lebensjahrzehnt entstanden ist. Vertrat einen an Ockham anknüpfenden Nominalismus. Seine Impetustheorie (Impuls) bereitete der klassischen Physik des 17. Jahrhundert den Weg. In Reaktion auf die 'Praktische Theologie' des Johannes Duns Scotus in Physik und Metaphysik wird er zum Wegbereiter und Initiator der zu Kants Erkenntniskritik führenden Entwicklung. G. Krieger, [LdM V, Sp. 558 f.] [9.2.04]

Nikolaus von Landau SOC
  * ?? in Landau, † Otterberg / Pfalz (nach 1370 ??)
Prediger. - Mönch im Cistercienserkloster Otterberg in der Pfalz. Ueber sein Leben ist nichts näheres bekannt. Vielleicht ist er identisch mit dem 1370 urkundlich nachgewiesenen Abte dieses Namens in Otterberg (..) Er schrieb vier Bücher Predigten (..) Erhalten sind uns nur die beiden ersten Bücher, welche 1341 vollendet wurden. Sie befinden sich, höchst wahrscheinlich in der Urschrift des Verfassers, auf der Kasseler Landesbibliothek [K1a und K1b sowie in Stuttgart, St6]. L., welcher der scholastischen Richtung angehört, verbindet mit dem Eifer, alles und jedes, auch das fernstliegende, in seine theologischen Abstractionen zu verarbeiten, eine reiche Belesenheit, die sich in lästig vielen lateinischen Citaten mit folgender deutscher Uebersetzung kundgibt. Seine Predigten, genau nach ein und demselben Schema gebaut, enthalten das kirchliche Dogma in pedantischer Weise aus der hl. Schrift und den Kirchenvätern zusammengestellt und erläutert. Jede Predigt hat ein lateinisches Exordium, in welchem der Text des Tages in verschiedene Theile, gewöhnlich drei, zerlegt wird. Dasselbe wird dann nochmals deutsch abgehandelt, worauf über die einzelnen Theile geredet wird. Man sieht, die Predigten sind geschrieben für ein gelehrtes Publicum, und mögen bei diesem ihrer Gelehrsamkeit halber in Ansehen gestanden haben. Es fehlt ihnen gänzlich an der aus innerer Ueberzeugung hervorgehenden, zum Herzen sprechenden, unmittelbar packenden Beredsamkeit des Volkspredigers, dessen unübertroffenes Vorbild Berthold von Regensburg ist. [leicht gekürzt nach Karl Kochendörffer, ADB 17 (1883), S. 587 - s. Link]

  Verfahren des N. v. Landau bei der Entlehnung mystischer Predigten:

  1. Die Entlehnung beschränkt sich auf einen, häufig den ersten Teil des Sermons.
  2. Der Name des Verfassers wird nicht genannt. Seine Sätze werden aber zuweilen als Worte eines Meisters gekennzeichnet.
  3. Das entlehnte Stück wird geschlossen und ununterbrochen wiedergegeben.
  4. Es ist gewöhnlich durch ein Stück eigener Arbeit des Otterberger Mönches eingerahmt; wenigstens am Anfang gehen stets ein paar Sätze von ihm voraus, welche gern in das Textwort der entlehnten Predigt einmünden oder zu einem Citat jener Predigt führen.
  5. Die übernommene Predigt erfährt keine Veränderung; sie ist eine getreue Wiedergabe. Findet sich Nikolaus zu einer Änderung wirklich veranlast (..), so greift diese in den Satzbau und Gedankengang doch nicht wesentlich ein.
  6. Lateinische Citate finden sich in seinen Entlehungen viel häufiger, als in den verglichenen Predigttexten. Sie können von dem Otterberger Mönch, der auch sonst eine Vorliebe dafür zeigt, eingesetzt sein; doch kann auch seine Vorlage solche Citate, etwa als Randglosse, schon enthalten haben.
[Hans von Zuchhold, S. 48] [22.9.12]

Rulman Merswin
  * 1307 Straßburg, † ebd. 18.6.1382
Kaufmann. - Von Heinrich von Nördlingen für die "Gottesfreunde" gewonnen, trennte er sich mit 40 Jahren von seiner Frau und seinen Geschäften und wählte Tauler als Seelenführer. Er pachtete 1367 das verfallene Kloster Grünenwörth in Straßburg, wo er seinen Lebensabend in Andacht und Buße verbrachte. Er schrieb 22 erbaulich-kompilatorische deutsche Traktate (u.a. "Briefbuch", "Buch von den vier angefangenen Jahren", "Zwei-Mannen-Buch", "Fünf-Mannen-Buch", "Neun-Felsen-Buch", "Meisterbuch"). Darin führt er als vorgeblichen Verfasser die Figur des "großen Gottesfreundes vom Oberland" ein, die Mystifikation des paradigmatischen christlichen Lehrers aus dem Laienstand, von Christen, Juden und Heiden hochverehrt, der erst den berühmten Prediger Tauler zu wahrer Heiligkeit geführt und dem Papst 1377 in Rom den Tod als göttliches Strafgericht verkündet habe. Mit Merswins Tod riß jeder Kontakt zu dem Mystagogen ab, und mehrere Suchexpeditionen nach seiner Klause im Schweizer Oberland blieben erfolglos. P. Dinzelbacher, [LdM VI, Sp. 548 f.] [9.2.04]

Johannes Hiltalingen von Basel OESA
  * Basel um 1315, † Freiburg 1392
Bedeutender Vertreter der Augustinerschule. - 1365/66 hielt er in Paris seine Sentenzenlesung und wurde dort 1371 Magister der Theologie; 1371-77 Provinzial der rheinisch-schwäbischen Augustinerprovinz, 1377-78 Generalprokurator seines Ordens in Rom und 1378-89 Generalprior der Augustiner in der Avignoner Obödienz, wurde er am 10. März 1389 von Clemens VII. zum Bischof von Lombèz ernannt. Sein umfangreiches theologisches Schrifttum blieb bisher ungedruckt. In seiner Lehre steht er dem Augustinismus Gregors von Rimini nahe. A. Zumkeller, [LdM V, 556] [9.2.04]

Nikolaus von Kues (Nicolaus Cusanus, de Cusa, Chrypffs oder Krebs)
  * Kues (= BernkastelKues) 1401 , † Todi 11.08.1464
Deutscher Kirchenrechtler, Philosoph, Bischof und Kardinal. - Studierte 1416/17 Philosophie und Mathematik in Heidelberg, 1417-23 in Padua, ab 1425 Theologie in Köln, wo er mit der platonischen Scholastik des Albertus Magnus und dem logisch-mystischen Denken des Raimundus Lullus in Berührung kam. Ab 1432 Bevollmächtigter des Trierer Erzbischofs auf dem Basler Konzil; unterstützte zunächst die Konzilspartei, dann die päpstliche Seite. Seine Bemühungen, im Auftrag des Papstes eine Einigung mit den deutschen Fürsten herbeizuführen, endeten mit dem Wiener Konkordat und der Ernennung zum Kardinal (1448). 1450 Fürstbischof von Brixen; 1458 verließ er unter politischem Druck Brixen und begann in Rom als Generalvikar und päpstlicher Legal eine Reform des Klerus als Auftakt zu einer allgemeinen Kirchenreform. Seine Lehre und sein politisches Wirken stehen unter seinem dialektischen Prinzip der Coincidentia oppositorum, mit dem es ihm gelingt, die vier "Regionen" Gott, Engel, Welt und Mensch in einem spekulativen philosophisch - theologischen System zusammenzufassen.
  Nikolaus ist einer der ersten Humanisten Deutschlands, der bereits Anschauungen von Gott, Welt und Mensch formuliert, die auch dem neuzeitlichen Denken zugrundeliegen: Gott als die absolute, aktual unendliche Einheit. Entgegen der Meinung der Hochscholastik gibt es in bezug auf die Gotteserkenntnis für ihn nur die als Docta ignorantia begrifflich oder symbolisch gefaßte Formulierung des Nichtwissens von Gott (negative Theologie). Die Welt sieht er als Ausfaltung (explicatio) des Wesens Gottes, in dem alle Dinge eingefaltet sind (complicatio). Der Mensch ist in der so verstandenen Welt das Bindeglied ihrer Teile (copula universi). In seinem erkenntnistheoretischen Hauptwerk "Idiota" (der Laie; 1450) entwickelt er in Dialogform eine Erkenntnistheorie, nach der das menschliche Wissen auf Vergleichen und Messen beruht. Nikolaus gilt auch als einer der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit (Versuche zur Quadratur des Kreises). [VoL 8, S. 293]
  Seiner Bibliothek verdanken wir die wichtigste Handschrift (mit der Sigle "C" bezeichnet) des lateinischen Oeuvre Eckharts. [3.6.01]