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Appellation, Protestatio
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Papstbrief
In agro dominico
Nachsatz
Epilog
Heinrich von Virneburg
Konrad von Halberstadt

Dar umbe sint gedanke frî,
daz diu werlt unmüezec sî.

Freidank, S. 160/161
Daß in der Welt Bewegung sei,
drum bleiben die Gedanken frei.
Freidank 122,17
[29.11.04]

Allgemein

  Was die Schreibweise seines Namens betrifft, so hatten die Schreiber vor 700 Jahren dieselben Probleme damit wie heutige Eckharts z. B. auf dem Einwohnermeldeamt.
  In den Handschriften kursieren neben Echardus auch Aychardus, Aricardus, Aycardus, Ayerdus oder Ekhardus, Equardus, Eckardus oder Ecgehardus, Ecckardus oder Eckehart, Eckard, Eckehardus oder Ekhart, Eghart, Egghard usw.
  Die Frauen nennen ihn Hechard oder einfach eckhart.

  Weder der Geburtsort noch das Geburtsdatum noch der Werdegang Eckharts bis 1294 kann zweifelsfrei festgestellt werden. Es gibt dazu Anhaltspunkte, aber keine Beweise.
  Es gibt auch kein Bild von ihm. Keiner weiß, wie er aussah. Wenn ihn denn je einer zeichnete - das Bild ist nicht überliefert oder gilbt irgendwo vor sich hin.
  Am 18. April 1294 hält Eckhart als Mönch des Ordens der Predigerbrüder seine "Antrittsvorlesung" an der Universität Paris. Nach den Statuten der Universität sollte er zu dieser Zeit mindestens 33 Jahre alt sein. Was vorher war, kann nur indirekt zurückverfolgt werden.
  Aufgrund zweier Dokumente von 1302/03 und 1305 existiert eine Verbindung zu dem Eckehard von Hocheim, der von 1251 bis 1278 aktenkundig wurde und anhand der Umstände als Eckharts Vater betrachtet werden kann.
  Was seinen Werdegang betrifft, so scheint Einigkeit zu herrschen, daß er "schon in jungen Jahren ... in das Dominikanerkloster Erfurt ... eingetreten" war. Dort "absolvierte er mit dem studium logicale, naturale und biblicum den Bildungsgang eines Studenten des Dominikanerordens" [Steer, Hochheim, S. 13]. Wenn dem so war, dann könnte das nach den Konstitutionen von 1265 um 1274 erfolgt sein, da er mindestens 14 Jahre alt gewesen sein mußte, um angenommen zu werden (Seuse wurde bereits mit 13 als Novize in Konstanz angenommen [Bihlmeyer, S. 71*]).
  Wann Eckhart nun tatsächlich dem Orden begegnete, wird wohl nicht mehr zu erfahren sein, weshalb ich im folgenden einen fiktiven Werdegang bis 1293 skizziere, ausgehend von der vermuteten Geburt 1260 unter Zugrundelegung der maximal genannten Ausbildungszeiten der jeweiligen Studien (Sturlese geht in der Anmerkung zu Acta n. 1 von einem Eintrittsalter zwischen 15 und 17 Jahren aus).

  Davon abgesehen ist bei Eckhart wenig sicher. Auch nicht sein Vorname.
  Der von Hochheim scheint er wohl gewesen zu sein, "als er sich mit demütig gesenktem Haupte vor dem Prior [Ulrich] auf die Knie niederließ und dieser ihm das Klosterkleid umhängte und zugleich feierlich die Worte las: 'Begraben und vergessen soll dein bisheriges Leben sein, auf daß du als neuer Mensch auferstehest in unserm heiligen Orden! Daher sollst du nicht mehr ... sondern Eckhart heißen!'" [s. BgT]. So wurde zumindest am 8. September 1879 im damals österreichischen Mähren ein Gottfried zu Pater Leonardus. Ich weiß allerdings nicht, ob dieser Brauch auch schon im 13. Jahrhundert üblich war (s.a. Profess).
  Darauf hat Bihlmeyer eine klare Antwort: "- die Dominikaner pflegten damals bei der Profess den Namen nicht zu ändern, -" [Bihlmeyer, S. 70* in Anm. 4]
  Für die drei ... könnte man z.B. Heinrich 1 einfügen oder Johann(es) 2. Als Letzterer geistert Eckhart immer noch durch die Literatur (und durchs Internet - wie z.B. in der Catholic Encyclopedia ).

  Und was die folgenden Annahmen bis 1293 betrifft, so handelt es sich dabei vorzugsweise um die "Standard"-Variante, die versucht, aus den gegebenen Quellen den Durchschnitt zu ermitteln. Dabei ist weder erwiesen, daß Eckhart in Erfurt ins Kloster eintrat (es könnte ja z. B. auch Eisenach gewesen sein), noch wann. Ebensowenig ist seine Ausbildungsdauer bekannt, da sämtliche diesbezüglichen Dokumente im Verlauf der letzten siebenhundert Jahre verloren gegangen sind - auf gut Deutsch: die folgenden Überlegungen sind rein spekulativer Natur.
  Ebensowenig wissen wir, ob er von seinen Eltern für das Klosterleben bestimmt wurde, oder ob er sich selbst dazu entschloß. Bekannt ist allerdings, daß die Dominikaner des Klosters Eisenach, zu deren Terminierbezirk auch Wangenheim und Hochheim gehörten, Terminierhäuser u.a. in Gotha und Langensalza eingerichtet hatten, von wo aus sie in den Dörfern der Umgebung predigten und Almosen sammeln gingen. Dabei werden sie auch in Wangenheim (oder Tambach) erschienen sein, wo Eckhart sie hätte hören können. [Vöckler, S. 109] [19.6.06]

(1260)
  Möglicherweise vor diesem Fixjahr - terminus ante quem - (oder auch danach) in Hochheim auf einem Lehen des Burgmannen Ekehard ('Großvater'?) im Dienste der von Wangenheim oder in Tambach auf einem unbekannten Lehen des Eckehard von Hocheim ('Vater'?) in Thüringen geboren.

  Eckharts Familien- bzw. Beiname war von Hochheim. Sein vermutlicher Vater wird in zehn Dokumenten des Klosters Georgenthal als Zeuge genannt; ab 1260 als miles und ab 1265 als dominus, d.h. als Ritter, der über einen Hof verfügte. Albrecht zog aus diesem und dem Dokument zu 1251 den Schluß, dass Eckhart gebürtiger Tambacher war. [20.6.06]

(1274)
  Eintritt in das 1229 gegründete Dominikanerkloster in Erfurt, einem der ältesten und angesehendsten Konvente des Ordens in Deutschland, als Novize.

  Aus den "ältesten Konstitutionen" des Ordens: "Die, die zu uns kommen, um aufgenommen zu werden, sollen zu der Zeit, die der Prälat {Prior} oder einige ältere [Brüder] bestimmt haben, in den Kapitelsaal geführt werden. Nachdem sie dorthin gebracht worden sind, sollen sie sich inmitten des Kapitelsaals niederwerfen. Und vom Prälaten gefragt, was sie wünschten, sollen sie antworten: 'Gottes Barmherzigkeit und die eure'. Nachdem sie auf Anweisung des Prälaten wieder aufgestanden sind, soll er ihnen die Strenge des Ordenslebens erklären und sie nach ihrem Willen dazu fragen. Wenn sie antworten sollten, dass sie alles genau beobachten und der Welt absagen wollten, soll er nach allem übrigen sagen: 'Dominus qui cepit ipse perficiat.' {Der Herr vollende, was er in dir begonnen hat.} Und der Konvent soll antworten: 'Amen.' Und dann, nachdem sie die weltlichen Kleider ausgezogen und die Ordensgewänder angezogen haben, sollen sie in unsere Gemeinschaft im Kapitelsaal aufgenommen werden" [Hoyer, S. 257 f., I. 14a].

  Alternativ könnte man auch an den viel näher gelegenen Konvent in Eisenach denken. Ebenso wie der Gründer des Erfurter Konvents, Graf Elger von Honstein, der später Prior in Eisenach wurde, wäre Eckhart dann den umgekehrten Weg (von Eisenach nach Erfurt) gegangen. Dagegen spricht, dass Erfurt ein Zentrum nicht nur dominikanischer Gelehrsamkeit darstellte, vergleichbar nur mit Köln oder Wien, und somit wesentlich bessere Studienbedingungen bereitstellte.
  Wenn Eckhart bereits über die geforderten Grundkenntnisse verfügte (s. Studium), kann er diesen Unterricht beispielsweise an einer der beiden Stiftsschulen in Erfurt erworben haben (Hochheim, Tambach oder Wangenheim verfügten wahrscheinlich nicht über eine Dorfschule).
  In diesem Konvent wird er im wesentlichen - von dem Aufenthalt in Paris (ca. 1300-1302/03) abgesehen - bis 1310 verbleiben. Zu den Brüdern gehörte auch Dietrich von Apolda, der zu den geistlichen Betreuern der Mystikerin Gertrud der Großen von Helfta gehörte, wodurch Eckhart also schon sehr früh in Kontakt mit dieser Gedankenwelt kam. [17.8.06]

(1275)
  "Wir legen als Probezeit sechs Monate fest oder mehr, wie es dem Prälaten gut erscheinen wird, damit sowohl der Kandidat die Strenge des Ordens, als auch die Brüder seinen Charakter kennen lernen können, außer es möchte einer etwa auf die genannte Reife und sorgsame Prüfung verzichten und sich sofort zum Ablegen der Profess entschließen" [Hoyer, S. 259, I. 15a]. Letztere Möglichkeit war wohl für ältere Novizen gedacht, die die Angelegenheit reiflich überdacht und zum Eintritt in den Orden fest entschlossen waren. Einem 14 oder auch 18jährigen Jungen dürfte dies kaum möglich gewesen sein.
  Nach einjährigem Noviziat legt Eckhart die Profess ab. Dazu "kniet [er] vor dem Oberen, legt seine Hände in dessen Hände und verspricht dem Oberen" [Hoyer, S. 317] die in den ältesten Konstitutionen von 1228 (Distinctio I) vorgeschriebenen Worte (sofern er sie dem Prior seines Klosters und nicht dem Ordensmeister gegenüber ablegt):

  "Ich Eckhart mache Profess und gelobe Gehorsam Gott und der heiligen Maria und dir, [Ulrich], dem Prior dieses Ortes, anstelle von Johann von Vercelli, dem Meister des Ordens der Prediger, und seinen Nachfolgern, gemäß der Regel des heiligen Augustinus und den Satzungen der Brüder des Predigerordens, dass ich dir und deinen Nachfolgern gehorsam sein werde bis zum Tod" [Hoyer, S. 259, I. 16b].

  "Das [in der Professformel] nur der Gehorsam ausdrücklich genannt wird, nicht aber die Gelübde der Keuschheit und der Armut, liegt darin begründet, dass sich diese in der Regel und den Satzungen finden" [Hoyer, S. 317].

  In den folgenden zwei Jahren erfolgt seine Einweisung u. a. in die ordensrelevanten Angelegenheiten (s. Novize). Sollte er ohne Vorwissen angenommen worden sein, hat er jetzt die Möglichkeit, sich z. B. die notwendigen Lateinkenntnisse anzueignen (s. Studium). [17.8.06]
  Auf dem Provinzkapitel in Konstanz wird die Teutonia in Vikariate (oder Nationen) eingeteilt. Von den wahrscheinlich neun Bezirken (mit je 5 oder 6 Konventen) lassen sich drei urkundlich nachweisen: "superiores partes Rheni", "Thuringia" und "Austria, Styria et Carinthia" [Sturlese, Freiberg, S. 19 u. Anm. 44]. [3.9.06]

(1277)
  Beginn des Studium artium. Koch (S. 252 f.) vermutete Eckhart bereits in diesem Jahr in Paris. Er schloss das aus der Formulierung "nostris temporibus", die er mit "zu meiner Zeit" übersetzte. Abgesehen davon, daß der Orden einen der zwei begehrten Plätze in Paris (s. 1293) wohl kaum an einen unbekannten, vielleicht 17jährigen Frischling aus der thüringischen Provinz vergab (der zudem wahrscheinlich mindestens ebensogut vor Ort studieren konnte), ist auch seine Übersetzung merkwürdig. Nostris temporibus heißt "zu unserer Zeit". Eckhart schrieb diesen Satz in seiner Responsio aus dem Jahre 1326, also gut 50 Jahre später, und wollte damit wohl eher darauf hinweisen, dass der Vorgang von 1277 sich noch zu Lebzeiten der an seinem Prozeß beteiligten Personen abgespielt hatte.
  Auf Aufforderung des Papstes Johannes XXI. an den Pariser Bischof vom 10.1.1277, nach Irrlehren zu fahnden, stellte dieser, beraten von einer 16-köpfigen Kommission, 219 Sätze zusammen, die er am 7. März feierlich verurteilte. [Flasch, S. 53] Darunter befanden sich auch einige des Thomas von Aquin (s. 1286). [17.9.06]

(1278)
  Sollte Eckhart in diesem Jahr in Erfurt gewesen sein, so konnte er zum ersten Mal einer Massenveranstaltung seines Ordens beigewohnt haben. Im Herbst fand nämlich das Provinzkapitel der Teutonia statt und das war keine triviale Angelegenheit. Nimmt man Kolmar aus, das 1278 gegründet wurde, so existierten 53 [Rein, Statistik, S. 52] bzw. nach anderer Zählung 56 Konvente.
  Diese entsandten die Prioren mit je einem Socius und mindestens einen Generalprediger; "dazu müssen wir noch zählen die Visitatoren und die verschiedenen Vicarii nebst dem einen oder anderen Inquisitor, ferner den Provinzial. Bringen wir des weiteren in Anrechnung, dass, wenn auch manche aus diesen verhindert waren am Kapitel teilzunehmen, doch wieder so und so viele teils mit teils ohne Erlaubnis am Versammlungsorte sich einfanden, so haben wir rund gegen" '200' "Teilnehmer, nicht mit inbegriffen die Insassen des betreffenden Conventes." ([Reichert, Provinz, S. 104] - er ging von 96 Konventen Ende des 13. Jahrhunderts aus und kam so auf ca. 300 Teilnehmer).
  Diese wollten untergebracht, verköstigt werden usw. und das vielleicht über eine ganze Woche hinweg. Man kann sich also vorstellen, daß dies einiges an organisatorischer Arbeit für den ausrichtenden Konvent bedeutete, der das Ganze auch noch selbst finanzieren mußte, wobei allerdings von städtischer wie privater Seite oft und manchmal auch reichliche Spenden flossen.
  Eckhart dürfte also den Sommer über damit beschäftigt gewesen sein, mit seinen Brüdern die Häuser der Stadt abzuklappern und Spenden einzusammeln.

  Ein letztes Mal vor dessen Tod 27 Jahre später, 1305, wird sein vermutlicher Vater Eckehardus miles de Hochheim als Zeuge in einer Urkunde des Klosters Georgenthal genannt. [15.7.06]

(1280)
  Beginn des Studium naturalium entweder in Erfurt oder an drei jeweils auf den Provinzkapiteln 1280, 1281 und 1282 festgelegten Klöstern. Sturlese geht von 2 Jahren aus, aber da mehrere Autoren von 2-3 Jahren sprechen, setze ich hier gemäß der Vorgabe die Höchstdauer an. Damit war das Grundstudium abgeschlossen. [23.6.06]

(1283)
  Beginn des Studium solemne, von Sturlese "Theologie" genannt. Dieses kann ebenso wie die vorhergehenden Studien an drei jährlich wechselnden Orten stattgefunden haben (s. Studium), es ist aber auch möglich, daß es an einem großen Konvent stattfand. Welches der etwa 60 Konvente der Provinz Teutonia zu dieser Zeit als "groß" bezeichnet werden kann, entzieht sich meiner Kenntnis, wobei der in Köln sicher dazu zu rechnen ist und wohl auch der Straßburger Konvent.
  Anm.: "1283. Frater Conradus de Sulze, ordinis Praedicatorum in Erfordia, ist Zeuge in einer Capellendorfer Urkunde." [Zacke, S. 130] [15.7.06]

(1286)
  Beginn des Studium generale (Sturlese: "studium solemne") am Generalstudium in Köln. Dass er sich in diesem Jahr in Paris aufgehalten haben soll, ist nicht einsichtig, zumal Eckhart in seiner (letzten) Schrift von 1326 (trotz der Spitzfindigkeiten Kochs) nicht behauptet, er sei 1277 (oder 1286) dort gewesen, sondern lediglich darauf hinweist, daß hier (bei den über 100 Sätzen, mit denen er Irrlehren verbreitet haben sollte) eine vergleichbare Situation vorläge wie in Paris, was den Angesprochenen noch in Erinnerung sein dürfte, da es ja "zu unserer Zeit" stattgefunden habe [vgl. Koch, Studien, S. 252/53].

  "L. Hödl wies darauf hin, daß die genannte Anspielung eher die Vorgänge von 1285/86 betrifft, als neuerdings auf die Weisung Honorius IV. die Magister der Theologie in Paris über die Rechtgläubigkeit der Formphilosophie des Thomas befinden sollten. 'Nostris temporibus' würde sich dann nicht auf das eigene Erleben in Paris beziehen, sondern darauf, daß den Älteren jene Dinge noch gut in Erinnerung seien. Eines hat J. Koch bei seiner etwas vorschnellen biographischen Interpretation völlig übersehen, das jedoch entscheidend ist. In seinen Entgegnungen vor den Kölner Richtern, denen die fragliche Stelle entnommen ist, sprach Eckhart von sich selbst niemals im Plural. Waren die Worte auf sein eigenes Leben bezogen, dann hätte er die Formulierung, wie überall dort, in der Einzahl abgefaßt. Er wollte aber darauf hinweisen, daß jene Ereignisse den Inquisitoren wie ihm selbst bekannt wären, sich jedenfalls noch zu ihren Lebzeiten abgespielt hätten" [Trusen, S. 15].

  Ob Eckhart "dem alten Weisen in seiner Zelle" (Albertus Magnus) noch zuhörte oder nicht, wie Koch aufgrund des Albertus saepe dicebat annahm (s. Studien, S. 254), wissen wir nicht. Er war nach dem bisher Angeführten frühestens ab 1283 in Köln (Albert starb 1280). Da wir jedoch nicht wissen, an welchem Konvent Eckhart ab 1277 studierte, ob in Erfurt oder auch woanders, ist es möglich, dass er in einem der Jahre bis 1280 auch in Köln war.
  Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, wie Ruh meint, daß man "'Goldene Worte' aus Alberts Munde sicher in dominikanischen und gelehrten Kreisen nicht nur in Köln vernehmen konnte" [Ruh, Eckhart, S. 20].
  Unabhängig davon war das Generalstudium Voraussetzung für die Tätigkeit des Sentenzenlektors, die Eckhart 1293/94 in Paris ausübte. Außerdem konnte nur jemand an diesem Studium teilnehmen, der im Orden zum Lektorenamt oder zu noch höheren Lehraufgaben ausersehen war, was eine Auszeichnung darstellte.

  Ungefähr zu dieser Zeit könnte Eckhart nach den "ältesten" Konstitutionen (1228/1236) auch mit seiner Predigttätigkeit begonnen haben: "Keiner soll unter 25 Jahren zum Amt der Predigt außerhalb des Klosters oder der Begleitung der Brüder herangezogen werden" [Hoyer, S. 292, II. 34b]. [15.8.06]

(1289)
  Nach Abschluß der ordensinternen Studien findet die Priesterweihe Eckharts statt. Er wird nun als Lektor oder Prior ("für einen gewissen Zeitraum") tätig. An welchem Kloster, ist nicht bekannt. Es kann sich dabei ebensogut um Köln wie um Erfurt oder ein beliebiges anderes der inzwischen vielleicht 65 Konvente gehandelt haben.

  Das dürfte nicht das erste Mal gewesen sein, dass er "lektorierte". Es war (schon in Anbetracht der ständigen Unterversorgung mit entsprechend qualifizierten Lehrern) üblich, daß ein Student des Studium naturalium die Lectio in einem Studium artium übernahm. Ebenso konnte er als Student der Theologie im Studium naturalium lehren und schließlich im Studium generale die Studenten im Studium solemne unterweisen.

  Es ist gut möglich, dass aus diesen Jahren Eckharts Tractatus super Oratione Dominica stammt (s. dort zur Datierung). [23.6.06]

(1290)
  Offenbar war Eckhart seinen Oberen besonders aufgefallen, denn er erhält die Möglichkeit, sich an der Universität von Paris zu immatrikulieren. Ruh und Sturlese vermuten ein "Zusatzstudium für Hochbegabte" bzw. "Fortbildungsstudium der Theologie", wie es für Dietrich von Freiberg (1274) bezeugt ist, der zu dieser Zeit ebenfalls in Paris weilt und von 1293-1296 als Provinzial der Teutonia tätig werden wird.

  Soweit eine von mehreren möglichen Skizzen zu Eckharts Werdegang vom Eintritt ins Kloster in Erfurt bis zu seiner Tätigkeit als Lektor der Sentenzen in Paris. Das Studium könnte insgesamt kürzer gewesen sein oder er könnte auch wesentlich später als bisher gedacht in den Orden eingetreten sein, was seine Geburt in die 50iger Jahre verlegen würde, oder er hatte vielleicht sogar eine ganz andere Entwicklung genommen.
  So ist es durchaus vorstellbar, daß Eckhart zunächst eine ritterliche Erziehung genoß. Er könnte z.B. Knappe auf Burg Wangenheim gewesen sein. Und da die "Bildungsreise des Knappen oder jungen Ritters mit seinem Hofmeister, als deren Ziel mit Vorliebe Frankreich gewählt wurde", "sehr beliebt war" [Wühr, S. 97], könnte er um 1275 tatsächlich in Paris gewesen sein und dort mit dem Studium der Artes begonnen haben - was ja bereits ab dem Alter von 15 Jahren möglich war - (und wodurch Koch doch noch bestätigt würde, wenn auch auf eine Weise, an die er nicht gedacht hatte). Im Verlauf dieses Studiums hätte er die Dominikaner schätzen gelernt und wäre dort in den Orden eingetreten.
  Allerdings wäre dann u.a. zu fragen, wie er dieses Studium finanzierte. Aber wie dem auch sei, diese Möglichkeit soll hier nicht weiter verfolgt werden, da sie auch in der Literatur nie ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. [23.6.06]

1293
  Zwischen dem 14. September und dem 9. Oktober hält Eckhart die Collatio in libros sententiarum, eine Art "Antrittsrede", die als feierlicher Universitätsakt nach den Statuten der Pariser Universität einer Vorlesung voranzugehen hat. Der Sentenzenlektor war bereits ein gehobenes Amt. Es beruhte auf dem Bakkalaureat der theologischen Fakultät, dem das Studium der Artes voranging [Ruh, Eckhart, S. 19]. Dieses Lektorat bereitet auf den Magister in Theologia vor und setzt eine abgeschlossene Laufbahn innerhalb seines Ordens voraus. Seine einjährige Tätigkeit als Lektor stellte insofern eine Auszeichnung dar, als er damit einen der zwei Lehrstühle für Nichtfranzosen besetzte. [23.6.06]

1294
  Mit dem 18. April, dem Ostersonntag, beginnt die datierbare Vita Eckharts, wodurch der Predigerbruder frater Ekhardus als lector sententiarum der theologischen Fakultät in Paris bezeugt ist. Aufgabe dieses Lektorats war es, die "Sentenzen" zu "lesen", d.h. das akademische Lehrbuch der Theologie, die libri quatuor Sententiarum des Petrus Lombardus zu erklären [interpretieren]. Daraus resultierten die Sentenzenkommentare, in der Regel das erste Hauptwerk eines theologischen Lehrers. Derjenige Eckharts scheint nicht erhalten zu sein [Ruh, Eckhart, S. 19]. (Zwar glaubte Koch, diesen in einer Brügger Handschrift gefunden zu haben, aber er steht mit seiner Zuordnung des Sentenzenkommentars an Eckhart bisher anscheinend allein [Studien, S. 255]).

  An diesem Tag "bestieg ein junger Akademiker die Kanzel der Pariser Predigerkirche St. Jacques. Die Predigt, die er hielt, wurde von einem Zuhörer mitgeschrieben, und eine Kopie davon gelangte wenige Jahre danach in die Bibliothek des Klosters Kremsmünster, wo sie sich noch heute befindet. Dieser Text zeichnet sich durch Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und rhetorische Gewandtheit aus. Der ursprüngliche color rhetoricus erklingt noch an vielen Stellen, und der Verfasser häuft unzählige Sprüche aus der Bibel und aus den Werken der Patristik - besonders aus Augustinus - mit beeindruckender Souveränität an" [Sturlese, Portrait, S. 5].

  Für die folgenden acht Jahre bis 1302 existieren keine Quellenbelege. Wir sind also (wieder einmal) auf Vermutungen angewiesen. Pfeiffer veröffentlichte 1857 als 'Tractat' Nr. XVII seinen mittelhochdeutschen Text mit dem Titel: "Daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bruoder eckhart predigerordens .. [Sturlese]" (so die Überschrift in einigen der insgesamt 44 [aktuell 59] erhaltenen handschriftlichen Überlieferungen der 'Erfurter Reden', die "nur in einer kleinen Gruppe später Handschriften belegt und sicher nicht ursprünglich" ist [Ruh, Eckhart, S. 31]).
  Demnach war Eckhart eine Zeitlang anscheinend sowohl Prior von Erfurt als auch Vikar der Ordensnation Thuringia - wobei nicht gesagt ist, dass er diese beiden Tätigkeiten unbedingt parallel ausgeübt haben muß.
  Sein Vikariat erstreckt sich über acht Konvente, wobei der letzte (Göttingen) erst 1296 gegründet werden wird. 1294 bestehen jedoch schon: Eisenach, Erfurt, Jena, Marburg, Mühlhausen, Nordhausen und Treysa (s. Diskussion 2006 - letzter Absatz).

  Zunächst einmal wird Eckhart das Semester 1293/94 am 29. Juni beendet [Senner, Rede, S. 110] und sich dann auf den Weg nach Erfurt gemacht haben, wo ihn das Konventskapitel zum Prior wählt. Falls er beide Tätigkeiten schon in diesem Jahr begonnen haben sollte, wäre der Auftrag zum Vikar und die Bestätigung seiner Wahl zum Prior voraussichtlich auf dem Provinzkapitel der Teutonia wohl am 8. September (zum Termin der Provinzkapitel s. 2006) im Konvent in Krems durch den Provinzial der Teutonia, Dietrich von Freiberg (1293 - 1296), erfolgt.
  Von Krems aus macht Eckhart sich auf den gut 700 km langen Fußweg zurück nach Erfurt. Das Vikariat über die Nation "superiores partes Rheni" (s. 1275) hatte zu dieser Zeit der ehemalige Provinzial Hermann von Minden (1286-1290) inne.

  Von den Akten der Provinzkapitel existieren aus Eckharts Zeit nur noch drei Fragmente, die sich auf Krems 1267 [Bünger, S. 10-13], Leipzig 1284 [Finke, Geschichte, S. 374-379 - Datierung nach Sturlese, Freiberg, S. 2 Anm. 2] und Friesach 1315 [Kaeppeli, Friesach] beziehen (s.a. zum Studium artium).

  Im Jahr zuvor hatte Landgraf Albrecht Thüringen an den König verkauft, was nicht alle gut hießen, weshalb Adolf von Nassau im Herbst 1294 erstmals einfiel und weite Landstriche verwüstete (s. Galletti).

  Eckhart trifft nun quasi an dem Tag in Erfurt ein, an dem der König an dieser Stadt vorbeizieht:

  "jedoch begann der Heereszug im September 1294 [um sept. 22 - Erster einbruch in Thüringen [Samanek, S. 150 n. 444]. (..) Der Einzug begann von dem Süden Thüringens her, der König lagerte bei Eischleben südlich von Erfurt (..) Von Eischleben zogen die Königlichen, nicht ohne, besonders von Seiten der Söldner, das umliegende Land hart bedrückt zu haben, an Erfurt vorbei gen Mittelhausen" [Roth, S. 210 f.].
  "Hier in E. [Eischleben] (..) wird auf dem marsche durch Thüringen (zum ersten male) gelagert (..) Von den plünderungen, brandschatzungen und sonstigen schändlichkeiten, mit denen das friedfertige land durch die zuchtlosen scharen des königs heimgesucht worden sei, entwirft diese quelle a.a.o. 308-11 ein eindringliches und lebendiges bild" [Samanek, S. 151 n. 445].
  "sept. 27, Erfurt. An diesem tage muß der könig an Erfurt vorbeigekommen sein. Ein erfurter (..), dessen reime die von Adolf in Thüringen verschuldeten greueltaten zum gegenstande haben, bemerkt bei erwähnung Erfurts, das durch göttliche Fügung beschützt worden sei, ausdrücklich (..). Auch die Cron. S. Petri Erf. mod. (..) preist die vorsehung wegen der glücklichen verschonung dieser stadt, der sowohl die feindseligkeiten derer, die hier mit dem erzbischof von mainz angekommen und verblieben seien als auch die ausschreitungen der vor der stadt lagernden scharen nicht viel anzuhaben vermocht hätten" [Samanek, S. 152 n. 447].
  In Mittelhausen verpfändete Adolf dem anwesenden Landgrafen Albrecht die Städte Mühlhausen und Nordhausen für den Rest der noch fälligen 4.000 Mark Silber der vereinbahrten Kaufsumme (s. Samanek, S. 154, nn. 451 und 452).
  "Die Königlichen, auf die Vorräthe des Landes angewiesen, plünderten und verheerten die Gegend, von Mittelhausen zogen dieselben gegen das Osterland und gelangten nach Wippach (Markvippach: Samanek)" [Roth, S. 212].
(Weiteres s. Galletti.)

  So die Situation etwa Mitte Oktober.
  Der König wird erst im Januar des folgenden Jahres nach Thüringen zurückkehren. Im Dezember befand sich Adolf in Leipzig und dort gab er sich am 19. als Anreger einer Urkunde: "Ad instantis preces invictissimi domini nostri Adolphi Romanorum regis", in der der Welfenherzog Albrecht II. auf sein Bitten hin den Predigermönchen die Niederlassung in Braunschweig gestattete [Römer, S. 22 f.]. Man könnte daraus schließen, dass Adolf den Dominikanern durchaus wohlgesonnen war.
  Ob Eckhart in diesem Jahr noch seiner Tätigkeit als Vikar nachgeht, ist unbekannt. (Zur Frage: Was ist ein Vikar? s. den Beitrag von Senner auf der Tagung der MEG 2006).
  Sicher aber trifft man ihn in der Predigerkirche zu Erfurt an, die das einzige noch existierende Bauwerk zu sein scheint, in dem er gepredigt hat, wie Albrecht anmerkte.
  Ob Eckhart bereits in diesem Jahr mit der Arbeit an den Reden beginnt, ist ebenfalls unbekannt, aber kaum wahrscheinlich. [25.7.06]

1295
  "am Jahresanfang treffen wir ihn [Adolf] bereits in Nordhausen wieder" [Wegele, S. 199]. Dort hält er sich einige Tage auf. "Von Nordhausen wandte sich Adolf mit seinem ganzen Gefolge nach Mühlhausen; hierher hatte er einen Hoftag ausgeschrieben und die Fürsten und Städte des mittleren und nördlichen Deutschlands eingeladen" (ab 8. Jan.) [Wegele, S. 201]. Dieser dauerte etwa zehn Tage und wurde von einem offenen Aufruhr begleitet, der sogar den König persönlich bedroht haben soll (s. Galletti). Am 17. Januar urkundet Adolf in Eisenach, wo er den Meistern, Ratmannen und Bürgern Erfurts auf ihre Bitte hin alle ihnen von früheren römischen Kaisern und Königen verliehenen Privilegien, Rechte, Freiheiten und Gnaden bestätigt und erneuert [Samanek, S. 178 n. 528], bevor er einige Tage später Thüringen verläßt.

  Nachdem Adolf das Land verlassen hatte, dürften die Menschen erst einmal aufgeatmet haben. Und jetzt wäre eigentlich für Eckhart die Zeit gewesen - besonders nach den Nachrichten aus Mühlhausen - seiner Verpflichtung als Vikar nachzukommen und zumindest die Konvente in Jena, Nordhausen und Mühlhausen zu besuchen. Aufgrund der "ungewöhnlichen Kälte" dürfte er sich wohl mit Frühlingsanfang auf den Weg gemacht haben.
  Diese drei Konvente waren noch recht jung: Jena und Nordhausen sind um 1286 eingerichtet worden und Mühlhausen um 1290. Es gab also gute Gründe, vor Ort nach dem Rechten zu sehen.

  "Noch waren nicht sieben Monde verstrichen, als Adolf zum andern Male in Thüringen und Meissen einrückte, darunter viele Söldner" [Roth, S. 216]. "Es war im Hochsommer, um die Mitte August" [Wegele, S. 207].
  In den folgenden Monaten belagert und erobert der König Dietzmanns Burgen Frankenstein (Sept.) und Kreuzburg (Okt.) und hält sich noch einige Wochen in Eisenach auf, bevor er im Dezember auf Osterland und Pleißen marschiert [Samanek, S. 227, n. 670] und damit Thüringen endgültig verläßt.
  "Ob das königliche Heer sich auch bei diesem zweiten Marsche mitten durch Thüringen so zuchtlos benommen hat, wie bei dem ersten, ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen, da die zeitgenössischen Berichte die beiden Feldzüge in dieser Beziehung nicht genau unterscheiden; wir nehmen aber gerne an, daß Adolf dieses Mal wenigstens mit etwas mehr Strenge und Erfolg auf Ordnung und Zucht gehalten haben wird" [Wegele, S. 213].

  Ob Eckhart auf dem Provinzkapitel im September in Erbipoli (Würzburg) anwesend ist, ist unbekannt. Ebenso unbekannt ist, ob er in diesem Jahr den seit 1236 bestehenden Konvent in Eisenach in seiner Eigenschaft als Vikar besuchte.
  Das Generalkapitel fiel dieses Jahr aus (s. 1299). Der Ordensmeister Stephan von Besançon war am 22. November 1294 "auf dem Weg von einer Visitationsreise nach Rom" [Senner ] gestorben. Nach den Konstitutionen sollte ein Generalkapitel nicht stattfinden, wenn ein Ordensmeister nach dem Fest des hl. Michael (29. September) verstarb (s. Hoyer, S. 280 f., II. 13b].

  Angesichts dieses u.a. von Galletti drastisch beschriebenen Mord- und Totschlags der Jahre 1294 bis 1296 (wobei wohl der meiste "Unfug" (Wegele) ins erste Jahr fällt) verwundert es, dass Eckhart sich nicht dazu äußert, zumindest nicht direkt.
  Es war gerade einmal gut zehn Jahre her, daß sich ein Schriftsteller (Nicolaus von Bibra) in Erfurt anonym bitter über das Schweigen der Pfaffen im Thüringischen Erbfolgekrieg (1247-1263) beschwert hatte (Edition Mundhenk).
  Es scheint dies eine der Kontinuitäten in Eckharts Leben, dass er immer dort ist, wo es brennt, auch wenn sich das in seinem Werk (bis auf den Prozeß) nicht in einem direkten Bezug auf die Vorgänge im Lande niederschlägt.

  Vielleicht steht eine Predigt [DW I, Nr. 7] aus dem Paradisus anime intelligentis damit im Zusammenhang, wo Eckhart von Frieden und vor allem Barmherzigkeit spricht. Wenn die Zuordnung auf den Quatemberfreitag im September zutrifft (s. Predigten), dann dürfte er diese wohl nicht mehr im Jahre 1294 gehalten haben, da er die 700 km Fußmarsch von Krems nach Erfurt kaum in der Zeit vom 9. bis zum 16. September bewerkstelligt haben dürfte. Es wäre also eher an dieses Jahr zu denken, als Adolf ab Mitte August zum zweiten Male in Thüringen einfiel. In diesem Falle hätte Eckhart die Predigt am 17. September gehalten haben können.
  Es dürften sich mit Sicherheit auch noch andere Predigten finden lassen, die auf die Vorgänge dieser Jahre Bezug nehmen. [18.8.06]

1296
  Im Januar befindet sich Adolf in Altenburg und im Februar in Freiberg, in dem er sich nach der Einnahme der Stadt noch einige Wochen aufhält.
  "In den ersten Tagen des April trat der König, nachdem er das Osterfest zu Freiberg begangen hatte, es scheint beinahe, ohne Meißen berührt zu haben, den Rückmarsch an. Am achten des genannten Monats steht er bereits [wieder] in Altenburg. Voller Zuversicht blickt er in die Zukunft - triumphierend meldet er der Stadt Besançon die siegreiche Unterwerfung der drei Fürstenthümer Meißen, Osterland und Thüringen unter das Reich" [Wegele, S. 222].

  Im ältesten Verzeichnis der deutschen Dominikanerinnenklöster, dass anläßlich der Teilung der deutschen Provinz 1303 erstellt worden war, wurden 9 Klöster der Saxonia und 65 der Teutonia zugeteilt. Von den letzteren befanden sich 64 in Süd- und Südwestdeutschland und am Oberrhein (ein Kloster im heutigen Belgien) und die Klöster der Saxonia verteilten sich auf Friesland, Westfalen, Sachsen und Meißen [Wilms] (s.a. 1314), d.h. es gab in der thüringischen Nation in der gesamten Zeit Eckharts in Erfurt (bis 1310) kein einziges Frauenkloster seines Ordens und es gab auch keine Seelsorge über Beginenhöfe (wie z.B. in Köln).
  Demnach erstreckte sich Eckharts Visitationspflicht als Vikar ausschließlich auf die acht o.g. Männerkonvente (s. 1294).

  Das Generalkapitel des Ordens und das Provinzkapitel der Teutonia fanden dieses Jahr in Straßburg statt (was das für den Konvent bedeutet haben mag vgl. 1278). Auf letzterem wurde ein neuer Provinzial der Teutonia gewählt: "fr. C(onradus) de Trebesi" [Loë, Teutonia, S. 32]. Es war üblich, dass in diesem Falle (wenn beide Kapitel im gleichen Jahr am gleichen Ort stattfanden) das Provinzkapitel direkt im Anschluss an das Generalkapitel erfolgte (vielen Dank an Herrn Senner für den Hinweis), aber ob das auch diesmal so war, ist mir ebensowenig bekannt wie ob Eckhart auf einer der Veranstaltungen anwesend war. [22.9.06]

1297
  Mit Datum vom 1. Mai werden vom Prior des Magdeburger Konvents, "fr. Nicolaus" die Grenzen der Terminierbezirke der Konvente Eisenach, Mühlhausen und Göttingen festgelegt unter konkreter Nennung, welcher Konvent in welchen Dörfern terminieren darf, und ein Überschreiten der Grenzen ausdrücklich verboten (Herquet, Mühlhausener Urkundenbuch, S. 202 Nr. 469). Der Konvent in Göttingen war 1294 gegründet und erst im Jahr zuvor auf dem Generalkapitel als einer von sieben neuen Konventen: "Concedimus provincie Theotonie; . vii . domos" [Reichert, MOPH3, S. 281] anerkannt worden und hatte sich wohl etwas übereifrig in die Geschäfte der älteren Klöster eingemischt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Eckhart hier eine vermittelnde Rolle gespielt hat, wozu er als Vikar prädestiniert war. Wann und ob er Treysa (gegründet 1287) oder Marburg (s. 1294 - gegründet 1292) besucht hat, ist nicht bekannt.

  Es fällt auf, dass - von Erfurt und Eisenach abgesehen (die Eckhart beide wahrscheinlich schon länger kannte) - alle Konvente der Thuringia noch sehr jungen Datums waren. Vielleicht kann man hierin eine Maßnahme des Ordens sehen, Eckhart auf die Probe zu stellen, ob er für administrative Aufgaben geeignet war oder nicht. Er konnte wohl nicht viel falsch, aber eine Menge richtig machen. Und wenn man sich den weiteren Lebensweg anschaut, scheint er diesen Test mit Bravour gemeistert zu haben.

  Ob Eckhart auf dem Generalkapitel zu Pfingsten in Venedig oder dem Provinzkapitel im September in Bremen anwesend war, ist nicht bekannt. [18.8.06]

1298
  Auf dem Generalkapitel in Metz wird Ämterhäufung untersagt, insbesondere das gleichzeitige Ausüben des Amtes als Prior und Vikar. Dies ist vernünftig, da sich beide Tätigkeiten widersprechen: der Prior hat vor Ort, also im Hause anwesend zu sein, während der Vikar viel unterwegs sein muß. Es ist nicht bekannt, welches Amt Eckhart daraufhin niederlegte (sofern er tatsächlich beide ausgeübt hatte). Ruh vermutete, daß es sich um das Priorat handelte, "da es die Aufgaben des Vikars sind, die Eckharts spätere Ämterlaufbahn bestimmen. Es oblag diesem als 'Stellvertreter' des Provinzials, hier in einer bestimmten Nation, die Ordensklöster zu visitieren und für die Beachtung der Regel und Konstitutionen zu sorgen. Daraus erhellt, daß dieses Amt die eigentliche Verantwortung für das geistliche Leben der Klostergemeinschaften umschloß." [Ruh, Eckhart, S. 21]

  Auch für dieses Jahr ist nicht bekannt, ob Eckhart in Metz oder auf dem Provinzkapitel der Teutonia im September in Worms anwesend war. Aber es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass er nicht erst in seiner Zeit als Provinzial (1303 bis 1310) viel herumkam und tagtäglich sah, was im Lande vor sich ging. [29.7.06]

1299
  Da nach der o.a. Überschrift (s. 1294) Eckhart Prior und Vikar genannt wird, als er die Reden verfasste und er diese beiden Tätigkeiten nur zwischen 1294 und 1298 ausgeübt haben kann, scheint es logisch, dass die Reden dieser Zeit zuzuordnen sind. Das muss aber nicht bedeuten, dass er die Arbeit daran 1298 beendet hat. Zum einen ist die Überschrift späteren Datums (geht also nicht unbedingt auf ihn selbst zurück), was bedeutet, dass man sich daran erinnerte, dass er beide Tätigkeiten ausübte, und zum anderen ist nicht bekannt wie es um ihn (bzgl. seines Priorats und Vikariats) bis zur Aufnahme seines Magisterstudiums bestellt war. Eckhart kann somit durchaus seine Notizen seit 1294 bis in das Jahr 1300 in die Form gebracht haben, die uns heute als seine 'Erfurter Reden' (bisher: Reden der Unterscheidung oder Unterweisung - s. Bericht von der Internationalen Tagung 2003) geläufig sind.
  Es ist vielleicht nicht ganz abwegig, die 'Endredaktion' an den Reden in diesem Jahr zu vermuten, wo das Land nach dem Tode König Adolfs vorübergehend zur Ruhe kommt (es wird schon bald wieder Krieg geben). Es ist bezeichnend, dass Eckhart die Schrift in dem zu seiner Zeit gesprochenen Deutsch abfasst, d.h., er wollte auch die Menschen erreichen, die kein Latein verstanden.

  Das Generalkapitel fand dieses Jahr wieder einmal (wie schon 1295) nicht statt. Diesmal verstarb der Ordensmeister nicht, sondern wurde vom Papst 1298 zum Kardinal ernannt, woraufhin Nicholas von Treviso im Januar 1299 von seinem Amt resignierte. Ob das der Anlaß für das Nichtstattfinden des Generalkapitels war, ist mir allerdings nicht bekannt. 1303 wird Nicolaus Boccasini Papst Benedikt XI.
  Ob Eckhart im September auf dem Provinzkapitel in Rupin (Neuruppin) anwesend war, entzieht sich unserer Kenntnis. [18.8.06]

1300
  Sollte Eckhart aber, wie Koch mutmaßte, nach 1298 weiter das Amt des Priors ausgeübt haben, so endete das spätestens in diesem Jahr, als "das Generalkapitel von Marseille alle Konventsprioren der Teutonia von ihren Ämtern absolvierte" [Koch, Studien, S. 259]. Wahrscheinlich begibt er sich zum Semester 1300/1301 wieder nach Paris, da er dort 1302 seinen Magister machen wird, was nicht nur nach heutigen universitären Gepflogenheiten eine gewisse Vorlaufzeit in Anspruch nimmt.

  Aus den Jahren von 1298 bis 1305 stammt wahrscheinlich der Predigtzyklus der Predigten 101 - 104, wie Steer vermutet. [29.7.06]

1302
  wohnt Eckhart im Dominikanerkonvent St. Jacques, der sich direkt gegenüber der inzwischen einhundertjährigen Pariser Universität befindet. Er hatte sich durch sein Sentenzenlektorat die Lizenz (Habilitation) erworben, einen der Lehrstühle auf ein Jahr zu besetzen, die bereits Albertus Magnus und Thomas von Aquin gesehen und gehört hatten. Er promoviert zum Magister sacrae Theologiae. "Bruder eckhartt" darf nun den Titel "Magister" führen - also Meister genannt werden. Hier dürfte er neben Durandus de San Porciano, Jakob von Metz, Johannes Quidort und Petrus de Alvernia auch dem Inquisitor Wilhelm von Paris begegnet sein, der als Generalinquisitor für Frankreich noch mit den Prozessen gegen die Templer und Marguerite Porète beschäftigt sein wird. Zur gleichen Zeit wirkten auch als Magister der Theologie Gottfried von Fontaine und Raimundus Lullus.
  Als Magister actu regens (amtlich beauftragter Professor, "Ordinarius") hat er neben der Teilnahme an den Disputationen die Aufgabe, Texte aus der Bibel zu erklären. Aus dieser Lehrtätigkeit gingen in der Regel die zahlreichen Bibelkommentare des Hoch- und Spätmittelalters hervor. Auch von Eckhart sind einige überliefert. Die ersten beiden der drei folgend genannten Quästionen stammen aus seiner Feder, die dritte ist eine Replik auf seine Aussagen von Seiten Gonsalvus Hispanus', des späteren Ordensgeneral der Franziskaner (s. Acta n. 8):

Utrum in Deo sit idem esse et intellegere - (Qu. 1)
Ist in Gott Sein und Erkennen identisch?
Utrum intelligere angeli, ut dict actionem, sit suum esse - (Qu. 2)
Ist das Erkennen des Engels, insofern es eine Tätigkeit besagt, mit dessen Sein identisch?
Utrum intelligere dei in patria sit nobilior eius dilectione in via - (Qu. 3)
Ist der Lobpreis Gottes im Himmel edler als die Liebe zu ihm auf Erden?

  Am 28. August dieses oder 28. Februar des folgenden Jahres hält Eckhart eine Predigt zum Tage des Hl. Augustinus, wobei der Mitschreibende vermerkt, diese sei von dem magistri Echardi de hochheim. Hier wird zum einzigen Mal seine Herkunft genannt (s. Acta n. 7).
  Wann er nach Erfurt zurückkehrt, ist nicht bekannt. Auf dem Generalkapitel zu Pfingsten (ab 10.6.1302) in Bologna wurde der Befehl erteilt, daß alle außerhalb ihrer Heimat befindlichen Brüder in ihre Provinzen zurückkehren sollten. Diese Aussage dürfte auch für Eckhart gegolten haben, sofern er nicht explizit davon entbunden worden war. Demnach hätte er nach dem 28. August Paris verlassen müssen und wäre vielleicht über die Via regia nach Erfurt gekommen. An dieser Straße lagen mindestens vier Konvente (Metz, Mainz, Frankfurt/Main und Eisenach), in denen er hätte rasten können (abgesehen davon, dass jedes kirchliche Haus Eckhart offenstand, und davon gab es nicht wenige). Da der Fußweg Paris - Erfurt für einen geübten Fußgänger (der Eckhart zweifellos war), in 3-6 Wochen (auch wenn das Wetter nicht sehr angenehm war) bewältigt werden konnte, wäre er im Herbst wieder in Erfurt gewesen.

  "Um die Jahreswende 1302/03 verfaßte der Magister Johannes Quidort seinen berühmten Traktat De potestate regia et papali, in dem er die Ansprüche des Papstes in die Schranken wies. Am 24. Juni [1303] machten sich die Predigerbrüder zum Sprecher des Volkes von Paris, sie riefen auf zur Unterstützung des französischen Königs gegen die anmaßende Ungerechtigkeit des Papstes. 132 Brüder des Pariser Konventes appellierten an ein allgemeines Konzil und an einen zukünftigen rechtmäßigen Papst." [Hillenbrand, Kurie, S. 506]

  Man ersieht daraus, dass der Pariser Konvent wahrscheinlich der Größte des Ordens war und Eckhart in Paris viele Menschen antraf, die nicht nur in der eigenen Ordenswelt Rang und Namen hatten oder in den folgenden Jahren bekommen sollten. [19.6.06]

1303
  Sollte Eckhart aber die Möglichkeit gegeben worden sein, das Studienjahr 1302/03 noch mitzunehmen, so wäre er wohl, wie Ruh mutmaßte, "nach Abschluß des akademischen Jahrs im Frühsommer" [Ruh, Eckhart, S. 25] nach Erfurt zurückgekehrt. Das 'akademische Jahr' begann "meist Mitte Oktober und dauerte acht Monate, unterbrochen von mehrwöchigen Sommerferien" [Wühr, S. 140]. Nur in diesem Fall (mit Ausnahmegenehmigung) hätte er den Sermo die b. Augustini Parisius habitus auch am 28. Februar gehalten haben können.

  Zwei Predigten lassen sich nennen, die Eckhart möglicherweise in diesem Jahr gehalten hat: Predigt 70 (Modicum et non videbitis me etc.) am 28. April (s. Datierung) und Predigt 9 (Quasi stella matutina ...) am (28.) August (s. Datierung).

  Wahrscheinlich am 8. September wird Eckhart auf dem ersten Provinzkapitel in Erfurt zum ersten Provinzial der zu Pfingsten vom Generalkapitel in Besançon (auf dem er vielleicht anwesend war) letztendlich (nach den Generalkapiteln 1301 in Köln und 1302 in Bologna) bestätigten neuen Ordensprovinz Saxonia gewählt.
  Diese Provinz bestand aus den in den Acta Appendix I. verzeichneten 50 Männerkonventen - 47 als Eckhart die Wahl annahm; drei weitere werden erst im letzten Jahr seines Provinzialats 1310 auf dem Generalkapitel bestätigt werden: Braunschweig, Dortmund (1309) und Groningen (1308) - und aus den Frauenklöstern. Neun werden im ältesten Verzeichnis genannt: Coswig, Halberstadt, Wedderstedt (Sachsen); Alvoldinghausen, Lahde (Westfalen); Cronschwitz, Weida (Vogtland); Rede (Holland) und Blankenburg im Bistum Bremen. Außerdem stellt Wilms fest: "Der Orden mühte sich auch im Gebiete der Saxonia um die Frauenseelsorge sowohl in den Klausen als in den eigentlichen Klöstern. Zu Magdeburg übten die Dominikaner Seelsorge aus bei den Beginen; von Halle aus leiteten sie die Zisterzienserinnen zu Helfta. Klöster, in denen die Regel des zweiten Ordens befolgt worden wäre, scheint es jedoch außer den angeführten nur wenige gegeben zu haben" [Wilms, S.99].

  Nach den "ältesten Konstitutionen" von 1236 (Distinctio II) bestand nun für einen Provinzial besonders die Visitationspflicht: "Außerdem sollen die Provinzialprioren dafür Sorge tragen, die ihnen anvertraute Provinz zu visitieren. Wenn sie aber dazu nicht im Stande sein sollten, können sie dazu ihre Vertreter beauftragen" [Hoyer, S. 282, II. 16b]. Es wird nicht gesagt, wann das geschehen soll, ob innerhalb eines Jahres oder auch eines Provinzialats. Abgesehen von den wahrscheinlichen Aufenthalten Eckharts 1303-1310 in einigen Konventen der Saxonia, ist nicht bekannt, welche er wann visitierte oder visitieren ließ.
  In den folgenden Jahren ist Eckhart von seinen administrativen und kommunikativen Aufgaben in Anspruch genommen. Zusätzlich zu den normalen Verwaltungsaufgaben, den Visitationen, dem Schriftverkehr innerhalb der Provinz und mit anderen Provinzialprioren und der Ordensleitung in Rom ist er auch für die Organisation, Durchführung und Leitung der jährlichen Provinzkapitel verantwortlich und er und seine engsten Mitarbeiter entscheiden, wo das nächstjährige Kapitel abgehalten werden soll. (Was die Durchführung eines solchen Kapitels für den auszurichtenden Konvent bedeutet haben mag, ist zu 1278 skizziert.) Das Amt und die Tätigkeiten wird Eckhart bis Mai 1311 ausüben, wobei er im September 1310 auch noch das Provinzialat der Teutonia übernimmt, deren Geschäfte er zusätzlich zu denen der Saxonia immerhin acht Monate lang führen wird.

  Sollten Sturleses Überlegungen zutreffen (s. zur Datierung des Opus tripartitum), dann entstanden die Texte der Handschrift CA 2° 181 ('E') bis 1305. Das bedeutet nach Steers Chronologie, dass die Prologi zum Opus tripartitum und die Predigten und Vorlesungen zu Jesus Sirach 1302/03 geschrieben wurden. Das wiederum würde bedeuten, daß er die erste Predigt und Vorlesung auf dem o.a. Provinzkapitel in Erfurt aus Anlaß seiner Wahl gehalten hätte.

  Aus verschiedenen Gründen besteht die berechtigte Vermutung, dass er die beiden Predigten Modicum et non videbitis me (Pr. 70) am 28. April und Quasi stella matutina (Pr. 9) - beide aus der Sammlung des Paradisus anime intelligentis - im August gehalten hat. Ersteres Datum ist nur möglich, wenn er Paris tatsächlich mit dem Ende des Studienjahres 1301/02 nach Mitte Juni 1302 verließ.

Anm.: 1303. Theophilus Stutterheim, Prediger-Mönch zu Erfurt, schrieb ein Buch: nova memorabilia. (Todt.-B. Fol. 39.) [Zacke, S. 130] [31.8.06]

1304
  Eckhart nimmt in den nun folgenden Jahren bis 1310 an den Generalkapiteln teil, an denen sich die Provinziale treffen, was nach den Konstitutionen des Ordens (von 1228/1236) hieß: "Jedes dritte Jahr aber sollen die Provinzprioren der zwölf Provinzen das Generalkapitel halten" [Hoyer, S. 275, II. 5c]. (Bis 1303 waren mindestens zwei Provinzen hinzugekommen: Böhmen 1301 und eben die Saxonia). Aber das änderte nichts an der grundlegenden Bestimmung und der kam Eckhart in den Jahren 1304, 1307 und 1310 nach.

  In diesem Jahr ist Eckhart auf dem Generalkapitel im Mai in Toulouse anwesend (auf dem auch Dietrich von Freiberg als Definitor teilnimmt), wo seine Wahl zum Provinzial der Saxonia bestätigt wird, was der Anlaß zu seiner zweiten Predigt und Vorlesung über Jesus Sirach gewesen sein könnte. Seine Eröffnung lautet folgendermaßen:

  Geliebte! Bei den feierlichen Antrittsvorlesungen der Theologen besteht folgender Brauch: Einer von den ersten, das heißt ältesten Meistern stellt eine Frage, und einer von den jüngsten antwortet auf sie. Es ist gewiß schon lange her, dass einer aus der Urzeit des Alten Bundes die Frage stellte: "Was ist süßer als Honig" (Richter 14,18). Ein sehr junger Meister, der heute anfängt, heute geboren wird - "Der Herr sprach zu mir: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt (Ps. 2,7)- antwortet jetzt auf sie mit den Worten: Mein Geist ist weit süßer als Honig [Eccl. 24,27]. [LW 2, S. 260; In Eccl. n. 32]

  Inzwischen ist das Land noch nicht richtig zur Ruhe gekommen. Zwar war Adolf von Nassau 1298 (s. 1294) gestorben, aber die kriegerischen Auseinandersetzungen gingen weiter:

  Diezmann "ist mit seinem Vater im J. 1304 hart zusammengestoßen. Der Burggraf Otto von Kirchberg, der zu Diezmann als seinem Lehensherrn in engen Beziehungen stand, hatte sich eine schwere Verletzung des Landfriedens zu Schulden kommen lassen (..) und für jeden Fall war es der Art, dass außer einigen thüringischen Herren vorab die Städte Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen sich einmüthig gegen den Friedensstörer erhoben. Der Landgraf Albrecht selbst (..) stellte sich an die Spitze und unter der Führung seines Marschalls von Goldacker zog das vereinigte Exekutionsheer aus, um den Burggrafen im Namen der verletzten öffentlichen Ordnung zu züchtigen. Der Erfolg war ein vollständiger. Die Burgen des Burggrafen - drei davon auf dem Rücken des sogenannten Hausberges bei Jena (..) wurden genommen .." [Wegele, S. 258 f.].

  Der Zug der drei Städte soll ab dem 1. Mai begonnen haben (s. Galletti). Die Kämpfe könnten Grund genug gewesen sein für Eckhart, nach seiner Rückkehr aus Toulouse einen Abstecher nach Jena zu machen.

  Eckhart wird im Verlauf seines Provinzialates eine nicht unerhebliche Zeit des Jahres mit Fußmärschen durch unwegsames Gelände verbringen, immer auf der Hut vor wilden Tieren (Ruh) und Wegelagerern; von Raubrittern ganz zu schweigen (eine Vorstellung von den Wegen, die er dabei zurücklegte, kann man sich unter Albertus Magnus machen).
  Allerdings wird er dabei nicht allein gewesen sein. Zum einen hatte er wohl meistens einen Gefährten und zum anderen waren die Straßen durchaus bevölkert mit allen möglichen Leuten, die aus den verschiedensten Gründen unterwegs waren: Schüler, die von Schule zu Schule, Studenten, die von einem Studium zum anderen zogen - und mit ihnen die Lehrer, Handwerker auf der Suche nach oder dem Weg zu einer anderen (neuen) Beschäftigung, Kaufleute, Spielleute, Vaganten und wer aus welchen Gründen auch immer sonst noch unterwegs gewesen sein mochte.
  Trotzdem konnten diese Reisen auch lebensgefährlich werden, wie nicht zuletzt Thomas von Aquin 1274 und der 8. General des Ordens, Stephan von Besançon 1294 erfahren mußten. Außerdem ist es ein Jahrzehnt katastrophaler Witterungsverhältnisse, was allein daraus zu ersehen ist, das im Jahr zuvor die Ostsee zufror, was zwei Jahre später noch einmal passieren wird (laut Ruh, der sich auf Tuchman beruft; allerdings sind Glaser keine Quellen dazu bekannt). Eckhart sollte auf jeden Fall über eine kräftige Konstitution verfügt haben, wenn er diesen Anforderungen gewachsen war (s. dazu Karte der Stationen).

  Im September ist er wahrscheinlich am Provinzkapitel in Halberstadt anwesend. Außerdem entstehen zu dieser Zeit vermutlich die erste Redaktion (E-Rezension) seines Kommentars zur Genesis und die erste kurze Fassung des Exodus-Kommentars (s. Tabelle zur Chronologie). [7.6.06]

1305
  Am 19. Mai siegelt Eckhart in Gotha eine Urkunde, die sich auf den verstorbenen Herrn Ritter Eckehard von Hochheim bezieht. Da er zwei Jahre zuvor selbst als "de hochheim" bezeichnet worden war, stellen diese beiden Dokumente die einzigen Anhaltspunkte dar, die sich auf seine Herkunft (Denifle, Koch) und Familie (Albrecht) beziehen.
  In der Predigt Modicum et iam non videbitis me nimmt er auf den Tod seines Vaters Bezug: "Wenn mein Vater stirbt" (DW 3, S. 538). Er spricht zwar auch in anderen Predigten (z.B. in Pr. 6 oder Pr. 26) vom Tod des Vaters, aber nur hier von seinem 'leiblichen' Vater. Da die Predigt "zweifellos" mit dem ersten Pariser Magisterium zusammenhängt und wenn die Überlegungen Theisens zutreffen, dann kann sie auf die Woche vom 10. bis zum 15. Mai datiert werden. Das sein Vater am 19. Mai schon tot war, ist sicher. Ob er zum Zeitpunkt der Predigt bereits verstorben war oder im Sterben lag (wie es die Wortwahl nahelegt), läßt sich der Predigt nicht zweifelsfrei entnehmen (s. Pr. 69).
  Ob Eckhart am Generalkapitel in Genua teilnehmen konnte, ist fraglich, da der Pfingstsonntag auf den 6. Juni fiel und er somit von Erfurt aus nur 17 Tage Zeit hatte, wenn er rechtzeitig dort eintreffen wollte. Auf diesem Kapitel wurde vorgeschlagen, die Provinzen Saxonia und Teutonia wiederzuvereinigen: "Item hanc, quod provincie Theutonie et Saxonie reuniantur, et sint una provincia, que vocetur provincia Theutonie.." [Reichert, MOPH 4, S. 9 Z. 8-10], was keine weiteren Folgen zeigte, aber darauf hinweist, dass es wohl eine hartnäckige 'Fraktion' gab, die mit der Aufteilung der Teutonia nicht einverstanden gewesen war. Ob auch Eckhart dazu gehörte, sei dahingestellt (s. 1310).
  Auf dem Provinzkapitel in Rostock Anfang September ist er wohl anwesend. [2.9.06]
  Aus dem einzig erhaltenen Originalbrief vom 11. September 1305 (aus Rostock) geht hervor, dass es auch zu Eckharts Aufgaben gehörte, eventuell auftretende Schwierigkeiten zwischen den Konventen und den Städten zu klären:

  Den hochehrbaren und weisen Männern, den Ratsherren der Stadt Göttingen [wünscht] Bruder Eckhart, Prior der Predigerbrüder in der Provinz Sachsen, sie mögen in den Wechselfällen dieser Welt in Gottes Bewahrung stehen. - Das Versprechen, das Euch von den mir sehr teuren Brüdern, die in Eurer Stadt niedergelassen sind, vom Prior und der Konventsbrüderschaft unseres Ordens gemacht worden sind, wonach sie ohne Eueren Willen und Euere Zustimmung ihr Areal nicht über die jetzige Ausdehnung hinaus erweitern dürfen, ratifiziere und bestätige ich. In Erinnerung dieser Sache ist zur Beglaubigung unser Siegel angehängt. [Ruh, Eckhart, S. 25f.]. (S. Koch, S. 268).

  Da die Bettelorden sich in den Städten ansiedelten, waren Konflikte um den knappen Boden vorprogrammiert. Dies sollte Eckhart bei Neugründungen von Klöstern erfahren, insbesonders bei den drei neuen Konventen in Braunschweig, Dortmund und Groningen, die während seiner Amtszeit entstanden (und von Papst Clemens V. 1310 bestätigt wurden).

  In diesem Jahr schließt Eckhart vielleicht seine erste Fassung zum Opus tripartitum mit dem Kommentar zum Buch der Weisheit ab (nach Sturlese - s. Chronologie). [8.6.06]

1306
  Zu Eckharts Aufgaben gehört auch Rat und Beistand der einzelnen Klöster, wie hier dem Frauenkloster in Lahde, das beschlossen hatte, den Sitz nach Lemgo zu verlegen, wozu die Genehmigung des Provinzials notwendig war.
  Zu Pfingsten befindet er sich wahrscheinlich nicht auf dem Generalkapitel in Paris. Es ist aber auch nicht bekannt, welcher Vertreter der Saxonia dort anwesend war.

  "In diesen Abschnitt gehört auch die Berichtigung eines Irrtums, der sich bei de Hornstein und Reffke findet. Dem Generalkapitel zu Paris sind aus verschiedenen Provinzen, besonders aber aus den beiden deutschen Provinzen, Klagen darüber zu Ohren gekommen, dass die Laienbrüder (fratres conversi) in Kleidern herumlaufen, die den Konstitutionen nicht entsprechen. Die dafür verantwortlichen Prioren und ihre Vikare werden unter Androhung von Strafen ernstlich gemahnt, die Misstände bis zum nächsten Fest Mariä Lichtmess (2. Febr. 1307) zu beseitigen. Beide Autoren bezogen diese schwere Rüge auf die Provinzialprioren und damit auch auf Eckhart. Der Wortlaut lässt aber keinen Zweifel, dass die Prioren und Vikare der Konvente gemeint sind. Man kann sich die Vorgeschichte dieses Beschlusses etwa so denken: die beiden Provinziale bemühten sich, durch Ermahnung der Hausobern diesen Misstand abzustellen. Als das nichts half, liessen sie ihre Klagen durch die Definitoren beim Generalkapitel lautwerden, in der Hoffnung, dass es mit seiner grösseren Autorität Abhilfe schaffen könnte" [Koch, Studien, S. 267].

  Ob Eckhart im September bei dem Provinzkapitel in Halle anwesend war, ist nicht bekannt. [10.6.06]

1307
  Auf dem Generalkapitel in Straßburg im Mai wird Eckhart zum Generalvikar für Böhmen ernannt (damit ist er zum zweiten Mal nach 1294-98 als Vikar tätig). Er ist Stellvertreter des Ordensgenerals Aymerich von Piacenza. Auftrag eines Generalvikars war es, "zu prüfen, zu bestrafen, (von Strafen) loszusprechen, zu festigen, zu reformieren, und dies von Konvent zu Konvent, von Provinz zu Provinz, am Haupt wie an den Gliedern". Dazu wird er mit besonderen Reformvollmachten ausgestattet (Die Provincia Boemiae war erst sechs Jahre zuvor, 1301, aus der polnischen Provinz herausgelöst worden). Er tritt seine Mission, die sich als sehr schwierig erweist und einige Zeit hinzieht, bereits im August an [Ruh, Eckhart, S. 30]. (Vgl. Koch, S. 265 und seine Anm. 56 und 57).

  Bisher ist über Eckharts Mission nichts weiter bekannt. Ruh's Annahme, er hätte sie im August angetreten, ist nicht verbürgt. Zunächst einmal ging es zurück nach Erfurt und von dort aus hätte Eckhart noch im Mai nach Prag aufbrechen können. Das bleibt aber alles nur Vermutung, da weder bekannt ist, wann er aufgebrochen ist, noch wie lange er sich in Böhmen aufhielt, noch wann er zurückkehrte.
  Die Mission fällt zusammen mit den "Thronwirren" in Böhmen nach dem Tod des letzten Premysliden-Königs 1306 (s. Albrecht I. und Heinrich VII.), in die sich später (1309) auch noch der Sohn des Landgrafen Albrecht, Friedrich, einmischen wird, mit dem es in diesem Jahr zu Auseinandersetzungen zwischen den Städten Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen und dem König Albrecht kam (s. Galletti).
  Friedrich nannte sich ab dem Ende des Jahres selbst Landgraf, wozu Wegele folgendes zu berichten weiß: "Am 10. Dezember erlag sein Bruder zu Leipzig einer Verwundung, die er im Predigerkloster daselbst von einem Unbekannten erhalten hatte. Die näheren Umstände sind nicht glaubwürdig überliefert" (S. 290).

  Währenddessen galt es, Verhandlungen mit den Herzögen von Braunschweig zwecks Erwerb eines Geländes in der Stadt zur Gründung eines Konventes zu führen, was Eckhart nicht nur im April und August beschäftigt haben dürfte. Ob er auf dem Provinzkapitel (am 8. September) in Minden anwesend war, ist aufgrund der Unklarheiten der böhmischen Mission nicht abschätzbar.

  Möglicherweise hat sich Eckhart tatsächlich im August auf den Weg nach Prag gemacht und hält im dortigen Dominikanerkonvent am 21. Sonntag nach Trinitatis (15. Oktober) eine lateinische Predigt zum Thema Accipite armaturam dei (Empfangt die Waffenrüstung Gottes!), in der er auf die Disziplin pocht und zur 'Zucht' auffordert (s. Sermo XLV). [5.4.08]

1308
  Die Schenkung eines Grundstücks in Groningen an die Dominikaner vom Januar ermöglicht die Inangriffnahme der Gründung eines weiteren Konventes (s. Koch, S. 279).

  Seine Sondermission in Böhmen war wohl von keinem durchschlagenden Erfolg geprägt, da der Provinzial der Boemiae aufgrund neuer Schwierigkeiten bzw. Verstößen gegen die Reform im Mai (ein Jahr nach Eckharts Ernennung zum Generalvikar in Straßburg 1307) vom Generalkapitel in Padua den Auftrag erhält, die Angelegenheit zu prüfen und die Schuldigen zu bestrafen [Ruh, Eckhart, S. 30].

  Bei diesem Generalkapitel ist Eckhart wahrscheinlich auch anwesend wie wohl auch auf dem Provinzkapitel in Seehausen (Altmark) im September, wo die Provincia Saxoniae in acht Nationen geteilt wird: Sachsen, Thüringen, Meißen, Westfalen, Slavenland, Brandenburg, Holland und Friesland. [Loë, Teutonia, S. 6].
  Eckhart kann auch nach diesem Generalkapitel und oder dem folgenden Jahr in Böhmen gewesen sein. Das er da war, belegen sein Bericht zwei Jahre später und das Auffinden des 'Cod. X. F. 26' in Prag durch Stegmüller im Jahr 1941. Da Böhmen direkte Nachparprovinz ist, kann man auch annehmen, dass Eckhart zumindest von 1307 bis 1310 immer mal wieder auf "Stippvisite" 'drüben' war. [11.6.06]

1309
  Nachdem Kaiser Heinrich VII. im Mai der Errichtung eines Konvents in Dortmund zustimmte, muß Eckhart sich wegen des Klosterneubaus persönlich nach Braunschweig begeben. Es gehört zu seinen Verwaltungsaufgaben, dass er sich auch um den Bau selbst kümmern muß. Anscheinend hatten die Handwerker begonnen, eine Brücke über die Oker zu errichten, was den Städtern überhaupt nicht gefiel. Man einigt sich darauf, dass der Bau solange gestoppt wird, bis die päpstliche Genehmigung eingetroffen ist, die dann erst Ende Januar des nächsten Jahres eintraf. Solange mußte man mit dem Provisorium zurechtkommen (und den sehr kalten Winter noch überstehen).
  Eckharts Anwesenheit wird in einem städtischen Protokoll vom 23. Juni in niederdeutscher Sprache festgehalten:

  Broder Eckehart dhe provincial dhere Paulere hefte redhet wedher dhen Rat, dhat alle dhing stan schal vmme ere bv hir, als et nv steyt; keme (kemen Hs.) och en Bode vteme houe to Rome, dhaz se bvwen mochten, se ne scolden nicht bvwen van brucken edher ander dhing, dhat dhere stat schedelck were, se ne deden et mittes rades willen. Dhar was over brodher Clauus dhe prior to Hilden(sem) und brodher Henrec dhe prior van Halberstat.
  Actum a. d. M°CCC°IX° in vigilia b. Iohannis baptiste. [Koch, Studien, S. 276]

  Bruder Eckhart, der Provinzial der "Pauler" (volkstümliche Bezeichnung der Dominikaner in Braunschweig), hat vor dem Rat zugesagt, dass hier alle Bauten stehen bleiben sollen, wie sie jetzt stehen, käme auch ein Bote vom päpstlichen Hofe [mit der Nachricht], dass sie [weiter] bauen können, so sollen sie doch keine Brücken und andere Objekte bauen, die der Stadt schaden könnten, es sei denn, es geschehe mit dem Willen des Rates. Als Zeugen waren zugegen Bruder Klaus, der Prior von Hildesheim, und Bruder Henrec, der Prior von Halberstadt. [Ruh, Eckhart, S. 26 f.]


  Im Juli wird in seinem und dem Namen der Dominikaner der Saxonia ein Grundstück in Dortmund gekauft, auf dem der Konvent errichtet werden soll.
  Währenddessen kommt Thüringen nicht zur Ruhe. Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen kämpfen gegen den Landgrafen Friedrich; der König Heinrich VII. mischt mit und selbst die Äbte der Klöster Fulda und Hersfeld bringen sich ein und "richteten viel Unfuges an um Eisenach" [Jordan, S. 71].

  Wenn Eckhart auf dem Provinzkapitel in Norden am 8. September anwesend war, dann wird er nach dem 23. Juni kaum noch mal nach Erfurt zurückgegangen sein. Wahrscheinlicher macht er sich in Erwartung der knapp 330 km im Sommer von Braunschweig aus auf den Weg zunächst nach Bremen und dann vielleicht einen Abstecher nach Groningen, den Stand der Dinge des erst im Jahr zuvor gegründeten Konvents zu erkunden. Auf dem Rückweg, ob in Bremen oder Braunschweig oder Hildesheim oder Göttingen, oder wo auch immer er gewandert sein mag, dürfte ihn die Nachricht ereilt haben, dass Friedrich vom 29. August an vierzehn Tage lang Erfurt belagert und eingeschlossen hatte [Wegele, Ss. 308 und 310].
  Diesmal ziehen sich die kriegerischen Auseinandersetzungen bis 1315 hin und es handelt sich hier nicht um die klimatischen Bedingungen der Hungersnöte 1315-17 (Gimpel), wenn Jordan resümiert:

  "Und weil nun der Acker um Erfurt, Gotha, Weißensee, Mühlhausen und Weimar in denselben sieben Jahren sehr unbearbeitet hatte gelegen, und die Dörfer wüste worden waren, so ward zuhand darnach, als man schrieb 1315, so gar großer Hunger und Theurung, dass ein Erfurter Malter fünf Mark löthiges Silber galt, und die Leure aßen Pferde und Hunde und haben Knotten, Haselkuppen und Eicheln zusammen gemahlen und Brod daraus gemacht" [Jordan, S. 73].
[5.8.06]

1310
  Auf dem Generalkapitel in Piacenza Anfang Juni legt Eckhart einen Bericht über seine Tätigkeiten in Böhmen vor. Außerdem wird der Saxonia die Erlaubnis erteilt, die drei angestrebten neuen Konvente zu gründen, was umgehend mit Dortmund geschieht (s. Acta n. 29).

  Im September befindet Eckhart sich wohl entweder auf dem Provinzkapitel in Hamburg oder dem am gleichen Tag parallel stattfindenden Provinzkapitel der Teutonia in Speyer unter dem Vorsitz Dietrichs von Freiberg, auf dem Eckhart zu deren neuem Ordensprovinzial gewählt wurde, was bedeutet hätte, dass er damit Provinzial zweier Provinzen gewesen wäre, der Saxonia UND der Teutonia - also der bis 1303 ursprünglichen Teutonia. Das spricht zum Einen für die Wertschätzung, die Eckhart entgegen gebracht wurde und zum Anderen könnte man daraus schliessen, dass Eckhart der 'Fraktion' angehörte, die gegen eine Teilung der Teutonia gewesen war (s. 1305). "Da diese Wahl vom Ordensgeneral [Aymerich von Piacenza] aufgehoben wurde, berief Dietrich ein neues Wahlkapitel in Zürich ein. Sein Vikariat sollte bis zum Amtantritt des dort gewählten Heinrich von Grüningen, also bis zum Anfang des Winters 1310/11, dauern" [Sturlese, Freiberg, S. 60]. Das war das letzte Lebenszeichen Dietrichs. Wann er verstarb, ist nicht bekannt.
  Eckhart wird die Geschäfte der Saxonia noch bis zum Generalkapitel im Mai des folgenden Jahres führen. [14.8.06]

1311
  Auf dem Generalkapitel in Neapel wird Eckhart auch von seinem Amt als Provinzial der Saxonia entbunden. Der Orden hat anderes mit ihm vor. (Vielleicht kann man hierin eine Maßnahme sehen, die Diskussion um die Teilung der Teutonia endlich zu beenden, indem der Repräsentant 'befördert' wird - ein auch heutzutage gern genutztes Mittel, 'Störenfriede' loszuwerden).
  Eckhart wird "abermals mit der Wahrnehmung des Pariser Lehrstuhls beauftragt. Dieses zweite Magisterium an der berühmtesten Universität des Abendlandes war eine Auszeichnung, die bis dahin nur Thomas von Aquin zuteil wurde" [Ruh, Eckhart, S. 30].
  Diese zweite Berufung Eckharts stellte weniger eine 'Auszeichnung' dar, sondern bestand vielmehr im akuten Bedarf seines Ordens, einen bekannt verläßlichen Bruder nach Paris zu holen - Eckhart wurde also als "Retter in der Not" gebraucht, den Lehrstuhl für die Dominikaner zu erhalten, nachdem sein Vorgänger auf dem Lehrstuhl für Nichtfranzosen seine Lehrverpflichtungen offenbar nur unzureichend wahrgenommen hatte (Senner, s. Erfurt 2003). Ein weiterer Grund war vielleicht der folgende:

  "Der junge Durandus von St. Pourçain hatte in seinem Sentenzenkommentar noch vor 1307 Lehren des gerade zum Ordenslehrer erhobenen Thomas von Aquin angegriffen, geriet deshalb nach 1313 auf zwei vom Ordensgeneral Hervaeus Natalis autorisierte Irrtumslisten, war aber zuvor 1312 (also während des zweiten Pariser Magisteriums Eckharts) in Paris zum Doktor der Theologie promoviert worden. (...)
  Angesichts dieser Turbolenzen um Ordenstheologen und im Orden selbst könnte das zweite Pariser Magisteriums Eckharts von der Ordensleitung selbst als Beruhigung gedacht gewesen sein, bevor dann der neue Generalmagister Hervaeus Natalis selbst die Kontroverse durch die Auseinandersetzungen mit dem doctor modernus Durandus von St. Pourçain aus dem eigenen Orden anheizte."
  Helmut G. Walther, Ordensstudium und theologische Profilbildung. Die Studia generalia in Erfurt und Paris an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, in: [Erfurt, S. 94]. (Vgl. die Anmerkung Senners in der Diskussion zu dem Vortrag Walthers in Erfurt 2003).

  Eckharts Nachfolger als Provinzial der Saxonia wird Johannes de Busco.
  Damit verläßt Eckhart endgültig Erfurt, die Stadt, die ihm vermutlich als Novize ab etwa 1274 und als Student von 1277-83, als Prior und Vikar 1294-1298 und als Prior oder Vikar bis 1300 sowie als Provinzial von 1303 bis Mai 1311, also fast ein Vierteljahrhundert lang, Heimat gewesen war.

  Spätestens jetzt erfährt Eckhart mit ziemlicher Sicherheit auch von der Marguerite Porète, ihrem Wirken, dem Prozeß gegen sie und ihrem Tod auf dem Scheiterhaufen 1310. Ihr Inquisitor, Wilhelm von Paris, ist sein Hausgenosse in Saint Jacques. Ruh formuliert dazu eine Doppelthese:
1. Eckhart hat den Miroir des simples âmes der Porète gekannt.
2. Er hat entscheidene Aussagen dieses Buches - die seinen eigenen Vorstellungen entsprachen oder entgegenkamen - aufgegriffen und ihnen, seiner Meinung nach, eine präzisere, theologisch vertretbare Formulierung gegeben. [Ruh, Eckhart, S. 104]
  Im Dez. 1312 / März 1313 ist Marsilius von Padua zum ersten Mal als Rektor der Pariser Universität bezeugt. [LdM VI, Sp. 332]

  Allgemein wurde bis zu Sturleses Überlegungen angenommen, dass Eckhart bis zum Sommer 1313 in Paris die Basis zu seinem lateinischen Hauptwerk, dem Opus tripartitum, legte und an den Bibelkommentaren zum Alten und Neuen Testament arbeitete (s. Werk).
  Sicher ist, dass er zwei weitere Quaestionen an der Universität vorträgt.
  Außerdem trifft auf ihn folgender Passus aus den "ältesten Konstitutionen" zu: "Wenn ein Bruder von einer Provinz in eine andere Provinz als Professor geschickt wird, soll er alle seine Bücher mit Glossen, die Bibel und die Quaterne mit sich nehmen" [Hoyer, S. 295, X 18]. Quaterne ist die "Bezeichnung für die im Mittelalter üblichen 'Notizbücher' aus Pergament oder Papier, die zumeist aus vier Doppelblättern bestanden (daher der Name, von lat. 'quattuor', 'vier')" [Hoyer, S. 319]. Eckhart spricht in den Predigten 14 und 28 von seinem Buch, in das er schreibt. Dabei wird es sich wohl um seine Quaterne gehandelt haben. Und diese und seine gesamte Bibliothek nimmt er mit nach Paris - sollte jemals eine dieser Quaterne wieder auftauchen, könnte man das wohl mit Fug und Recht als eine Sensation bezeichnen. [18.8.06]

1313
  Ende Juni war das Semester 1312/13 beendet. Wann Eckhart Paris zum letzten Mal verließ (nach 1294 und 1302/03) und wohin sein Weg ihn nun führte (nach Straßburg, Köln oder sonstwohin), ist nicht bekannt. Er erscheint erst im folgenden Jahr im April wieder als Zweiter in einer Zeugenreihe in einem Straßburger Dokument.

  Auch nach Sturleses Datierung des Beginns der Arbeit am Opus tripartitum (zumindest im Zustand des Cod. Amplon. F. 181 - Hs. E) in Eckharts Provinzialatszeit (um 1305), scheint relativ sicher zu sein, dass er sich ab 1313 (s. Tabelle zur Chronologie) mit dem Liber parabolarum Genesis und der Auslegung des Johannesevangeliums zu beschäftigen begang. An letzterem Werk schrieb er wohl zumindest bis zur Responsio 1326. [28.6.06]

1314
  Drei Dokumente aus den Jahren 1314, 1316 und 1322, in denen Eckhart unter den Zeugen erscheint, sind die einzigen Belege für "Meister Eckharts Straßburger Jahrzehnt".
  Im ersten Dokument im April 1314 erscheint er als Zweiter der Zeugenreihe mit dem Titel magistro Eckehardo, professori sacre theologie (s. Senner). Vikar wird er nicht genannt, von der cura monialium (Frauen- bzw. Schwesternseelsorge) ist keine Rede. 1316 und 1322 wird er Vikar genannt und nur 1322 ist im einzigem Dokument von der cura monialium die Rede.
  Aus diesem Dokument in Verbindung mit zwei Berichten aus Frauenklöstern, die von Meister Eckhart erzählen (s. Acta n. 41 und n. 42), wurde bis zum Beitrag Sturleses (auf der Tagung in Straßburg 2006 - s. 2006) geschlossen, dass Eckhart sich in der Zeit zwischen dem Weggang aus Paris 1313 und der Ankunft in Köln (ca. 1324) in Straßburg (Strasbourg) aufgehalten habe und dort die Oberaufsicht über die oberrheinischen Frauenklöster gehabt habe.
  Aufgrund dieser drei Gegebenheiten muss Eckhart sich nicht die ganze Zeit in der Stadt aufgehalten haben - er kann zwischen den vorgegebenen Daten auch an anderen Orten gewesen sein und vielleicht noch andere Absichten gehabt haben. Wir wissen es nicht, doch durch Sturlese ist hier eine Tür für sicherlich sehr interessante Forschungen aufgetan worden.
  So ist es denkbar, dass Eckhart sich nur besuchsweise in Straßburg aufhielt, ansonsten aber im Kölner Konvent lebte z.B. als Lektor am Studium generale. Dann könnte man seine Predigten in die "Erfurter" (1294 bis 1300 und 1304 bis 1310) und die "Kölner Predigten" (1313 bis 1326) aufteilen, was dem Befund von Löser entspräche, der auf der Jahrestagung in Straßburg darauf hinwies, dass nicht eine einzige Predigt seiner "Straßburger Zeit" zugeordnet werden könne. [17.1.08]

  Tatsache ist, dass Eckhart nach seinem Abschied aus Paris Ende Juni oder ab Juli 1313 nicht nach Erfurt zurückkehrte, sondern im April 1314 als Zeuge in einem Dokument in Straßburg erscheint. Er war also mit einer neuen Tätigkeit beauftragt worden. Welche das war, glaubte die bisherige Forschung ziemlich genau zu kennen:
  Aufgrund der durch das Konzil von Vienne neu entstandenen, teils bedrohlichen Situation für den Orden, wird Eckhart wieder einmal (s. Vikar 1294-98/1300, Generalvikar Böhmen ab 1307, [Professor Paris 1311-13)] mit einem Sonderauftrag bedacht, wobei er diesmal der Ordensspitze direkt unterstellt ist. Als Generalvikar des Ordensgenerals Berengar von Landora, der beim Konzil dabei war und ihn auch in Paris kennen gelernt haben dürfte, wird Eckhart die Betreuung und Aufsicht der süddeutschen Frauenklöster mit Amtsitz in Straßburg übertragen.

  Zu dieser Zeit zählen zur Teutonia über 65 Frauenklöster (Wilms), fast soviel wie in den anderen 17 Ordensprovinzen zusammen (76), während die Saxonia gerade 9 aufweist [Ruh, Eckhart, S. 109]. Hinzu kommt die stattliche Anzahl von ca. 85 Beginenkonventen allein in Straßburg. Hier befinden sich die Klöster der Frauenmystik: Unterlinden, Adelshausen, Oetenbach, Katharinenthal, Engelthal, Kirchberg, Töß, Schönensteinbach, Weiler. Eckhart hat insbesondere die Aufgabe, die potentiell für die Kirche gefährliche Spiritualität der "mystischen" Frauen in geregelte Wege zu lenken, während er auf der anderen Seite ständig im Verdacht steht, sich zu weit an das pantheistische Gedankengut einiger der Begarden und besonders der Brüder des freien Geistes anzunähern. Und der Vorwurf der Häresie fällt schnell in diesen Zeiten, zumal die Stimmung zwischen der Kirche der Stadt und den Dominikanern nicht zum Besten stand, was sogar zur Vertreibung des Konvents und einer dreijährigen Verbannung vor der Jahrhundertwende geführt hatte. [Trusen, S. 25]

  Falls Eckhart diese zehn Jahre in Straßburg verbrachte, dann dürfte unter seinen Zuhörern auch Johannes Tauler gewesen sein, der um 1300 geboren wurde und "jung" (mit 14? - vielleicht kam er im gleichen Jahr wie Eckhart) im Konvent aufgenommen worden sein soll.
  Die folgenden Ausführungen bis 1324 sind im wesentlichen unter der Prämisse geschrieben, dass er sich in diesen zehn Jahren hauptsächlich in dieser Stadt aufhielt. [2.8.06]

1316
  Am 13. November wird Eckhart als Vikar des Ordensmeister Berengar von Landora (1312-1317) in einer Schenkungsurkunde in Straßburg genannt. Wann dieser ihn ernannte (Senner vermutet, schon 1314) und mit welcher Aufgabe Eckhart betraut war, ist nicht bekannt. Allgemein wird angenommen, dass ihm die Aufsicht über die süd- und südwestdeutschen sowie die oberrheinischen Frauenklöster oblag.
  Sturlese hält es auch für möglich, dass Eckhart als Vikar in kommissarischer Funktion die Führung der Teutonia übernahm, um die Wahl des neuen Provinzials vorzubereiten, nachdem Egno de Stoffen abgesetzt worden war. Er wäre dann auf dem Provinzkapitel in Nürnberg im September anwesend gewesen, als der neue Provinzial gewählt worden war: "Hic electus fuit in provincialem fr. Jacobus de Velsperch" [Loë, Teutonia, S. 33]. Damit aber wäre sein Vikariat hinfällig geworden und er hätte im November nicht mehr so betitelt werden dürfen, es sei denn, Landora hätte in der Zwischenzeit eine neue Aufgabe für ihn gefunden.

  Ob Eckhart in seiner Eigenschaft als Vikar auf dem Generalkapitel zu Pfingsten in Montpellier und oder auf dem Provinzkapitel der Teutonia im September in Nürnberg anwesend war, ist nicht bekannt. [2.8.06]

1317
  Johannes XXII. ernennt Berengar von Landora im April zum Legaten in Frankreich und im Juli zum Erzbischof von Santiago de Compostela.
  Am 13. August eröffnet der Straßburger Bischof Johann I. von Zürich (1306-28) auf der Rechtsgrundlage der Mainzer Synode von 1310 die erste Phase der Verfolgungen gegen umherschweifende Begarden und die ihnen anhängenden Beginen (Begehardi und Swestriones) wegen Häresie, woraufhin manche abschwören, manche fliehen und manche dem weltlichen Arm, sprich: dem Tod übereignet werden. Dieser Processus richtet sich wohl vorrangig gegen die Brüder und Schwestern von der Sekte des freien Geistes und der freiwilligen Armut und noch nicht gegen die Drittordensgemeinschaften (Terziaren) und die "ehrbaren Beginen". [Trusen, S. 25]
  Eine andere Angelegenheit, die ganz Europa (in unterschiedlichem Ausmaß) betraf, waren die Hungersnöte von 1315-1317 (in manchen Gegenden bis 1318 und 1319). Man darf annehmen, dass sie auch Eckhart nicht verborgen geblieben waren. Nun spricht er häufig von "Hunger und Durst, Krankheit und Armut", aber immer im Kontext des 'normalen', bäuerlich geprägten Wahrnehmens der Abhängigkeit von den natürlichen Bedingungen - von einer Hungersnot spricht er nie. Nur einmal zeigt er Einsicht in soziale Zusammenhänge: "Es begeht einer einen Diebstahl. Du fragst: warum? (Nun) aus Hunger" [LW 1.1, S. 571] im zweiten Kommentar zur Genesis. (s. Aktuell)

  Ob Eckhart in seiner Eigenschaft als Vikar auf dem Generalkapitel zu Pfingsten in Pamplona und oder auf dem Provinzkapitel der Teutonia im September in Frankfurt anwesend war, ist nicht bekannt. [2.8.06]

1318
  Am 30. April wird Berengar von Landora zum Erzbischof von Compostela geweiht. Sechs Wochen später, zu Pfingsten (11./12. Juli), wird Hervaeus Natalis zum neuen Ordensmeister auf dem Generalkapitel in Lyon gewählt. Er wird dieses Amt bis zu seinem Tod am 7. August 1323 ausüben. Ob Eckhart dabei anwesend war, ist nicht bekannt.
  Nach der Publikation der Clementinen, die den Konstitutionen von Vienne Rechtskraft gaben, verkündet der Straßburger Bischof Johann am 22. Juli eine Reihe von Bestimmungen, die in die rechtlichen Verhältnisse der Bettelorden stark eingreifen. In seinem Rundschreiben an die "Konföderation" der sich am 5. August offiziell zusammenschließenden Äbte und Äbtissinnen und Prioren der Weltgeistlichkeit Straßburgs und Umgebung gegen die Prediger und Minoriten ergeht er sich fast ausschließlich in detaillierten Ausführungsbestimmungen zur Mendikantengesetzgebung - und verliert kein Wort über die Beginen, was die Pfarrer der Stadt nicht daran hindert, diese zu verfolgen. [Trusen, S. 26]
  Es gehörte zur Aufgabe der Bettelorden, offene Beginengemeinschaften in regulierte Ordenshäuser zu überführen. Durch diese Betreuung verlor der Stadtklerus jedoch an Einfluß und insbesondere Einnahmen, die in dieser Stadt (neben Köln verfügte Straßburg mit über die größte Zahl an Beginenkonventen) zu beträchtlichen Verlusten führten. [Ruh, Eckhart, S. 113]

  Ob Eckhart im September auf dem Provinzkapitel der Teutonia in Kolmar in seiner Eigenschaft als Vikar anwesend war, ist unbekannt. [2.8.06]

1319
  Am 18. Januar verbietet Bischof Johann I. den Beginenstand und fordert die Bettelorden auf, diese nicht weiter zu "begünstigen". Aufgrund heftiger Proteste der Orden sieht sich Johannes XXII. in seiner Bulle Etsi apostolice sedis vom 23. Februar veranlasst, den geistlichen Status der Drittorden zu bestätigen. [Trusen, S. 28]
  Dass es dabei (wie üblich) letzten Endes ums "Geld" ging - die Dominikaner waren aufgrund der ihnen überlassenen Schenkungen vermögender Frauen durchaus beneidet - zeigt sich in einer Anordnung des Papstes Johannes XXII. vom 26. Juni an den Dekan der Kirche St. Petri, in der dieser aufgefordert wird, die den Dominikanerinnenklöstern entzogenen Güter zurückzugeben, was den Bischof und das Domkapitel nicht daran hindert, am 26. September einen gemeinsamen Font für künftige prozessuale Auseinandersetzungen vor der päpstlichen Kurie aufzulegen.
  Das zeigt die Situation, in der sich Eckhart befand. Man darf wohl davon ausgehen, dass er den Frauen sowohl in seiner wie in ihrer Kirche predigte. Offenbar hat man sein Eintreten für die Belange des Ordens und seiner Seelsorge anvertrauten Frauen dazu benutzt, ihm persönlich seine Predigtweise anzulasten. [Trusen, S. 29]

  "Der Straßburger Rulman Merswin schrieb später, ein frommer Priester habe Eckhart damals angesprochen, um ihm eine freundschaftliche Warnung bezüglich seiner Predigten zu geben und ihn zu veranlassen, das Predigen über Dinge, die sehr wenige Leute verstehen könnten, zu unterlassen" [Trusen, S. 31].
  Antwort gibt Eckhart im Trostbuch am Ende des Buches (n. 81):

  Das andere Wort, das ich sagen will, ist dies, dass mancher grobsinnige Mensch sagen wird, viele Worte, die ich in diesem Buche und auch anderswo geschrieben habe, seien nicht wahr. (...) Was kann ich dafür, wenn jemand das nicht versteht? (...) Mir genügt's, dass in mir und in Gott wahr sei, was ich spreche und schreibe. (...) Auch wird man sagen, dass man solche Lehren nicht für Ungelehrte sprechen und schreiben solle. Dazu sage ich:
  Soll man nicht ungelehrte Leute lehren, so wird niemals wer gelehrt, und so kann niemand lehren oder schreiben. Denn darum belehrt man die Ungelehrten, dass sie aus Ungelehrten zu Gelehrten werden. Gäbe es nichts Neues, so würde nichts Altes. (...) Ist aber jemand, der dieses Wort unrecht versteht, was kann der Mensch dafür, der dieses Wort, das recht ist, recht äußert? Sankt Johannes verkündet das heilige Evangelium allen Gläubigen und auch allen Ungläubigen, auf dass sie gläubig werden, und doch beginnt er das Evangelium mit dem Höchsten, das ein Mensch über Gott hier auszusagen vermag; und oft sind denn auch seine sowie unseres Herrn Worte unrecht aufgefaßt worden. [Quint, S. 138 f.]

  Diese Haltung ist kennzeichnend für Eckhart. Er will nicht verstehen, dass jemand mit seinen Aussagen nicht klar kommt, wo er doch nach seinem Empfinden nur die Wahrheit spricht und nichts als die Wahrheit. Dieses völlige Unverständnis seinen Kritikern gegenüber zeichnet auch den Ton seiner einige Jahre später verfaßten Responsio aus, in der er sich dagegen wehren wird, dass ihm in aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen aus seinen Texten häretische Aussagen vorgeworfen werden (s. 1326).

  Vermutlich arbeitet Eckhart zu dieser Zeit an seinem Buch der göttlichen Tröstung, was sich einige Zeit hinzieht, da einiges dafür spricht, dass er die Predigt Vom edlen Menschen (von der er explizit sagt, das sie im Anschluß nachfolgen soll - s. Trostbuch n. 51) vielleicht erst 1325 gehalten hat (zur Diskussion der Datierung des Liber benedictus s. Werk - BgT und - VeM), womit dann die zitierte Aussage Bezug auf die Vorgänge in Köln und nicht in Straßburg nehmen würde.

  Ob Eckhart auf dem Generalkapitel zu Pfingsten in Cahors und oder dem Provinzkapitel der Teutonia im September in Worms anwesend war, ist unbekannt. Ebenso ist nicht bekannt, ob er dem Generalkapitel 1320 in Rouen und dem Provinzkapitel in Würzburg, und oder dem Generalkapitel 1321 in Florenz und dem Provinzkapitel in Trier beiwohnte. Sollte er auch nur auf einigen dieser Kapitel seit 1314 anwesend gewesen sein, so ist er ziemlich herumgekommen, dürfte einiges gesehen und hin und wieder über wunde Füße geklagt haben. [6.8.06]

1322
  Im Frühsommer erhält Eckhart, zusammen mit einem anderen Generalvikar (Matthäus von Finstingen), den Auftrag, das Dominikanerinnenkloster Unterlinden in Kolmar zu visitieren (s. Koch). Dies ist die letzte Amtshandlung als Generalvikar in Straßburg, von der wir wissen. [Ruh, Eckhart, S. 168]
  Dies ist die einzige Amtshandlung als Generalvikar, von der wir wissen (zur Problematik s. 1314).

  Aus der Zeit seines Aufenthaltes in Straßburg sind zwei Besuche in Frauenklöstern bezeugt: Katharinental und Ötenbach.
  "Die vorangegangene Darstellung der damaligen Situation sollte die prekäre Lage der Seelsorge der Mendikanten in Straßburg und Südwestdeutschland klarstellen. Die Angriffe der Weltgeistlichkeit sind nicht zu bestreiten. dass diese sich auch gegen den mit der Visitation der Frauenkonvente betrauten Vikar des Generalmagisters richten mußten und dass man dabei die Form seiner Predigten als willkommenes Ziel heraussuchte, kann sehr stark vermutet werden, was eigentlich schon aus der zitierten Äußerung Eckharts hervorgeht. Es ist nicht auszuschließen, dass jene Kreise in Straßburg bereits damals Material gegen ihn gesammelt haben, das später so verhängnisvolle Folgen zeitigte. Die Ordensleitung hat es jedoch wohl auch seiner Tätigkeit zugeschrieben, dass dort schließlich in weitem Maße die Frauenseelsorge gesichert werden konnte" [Trusen, S. 60 f.].

  "Es sei daran erinnert, dass in diesen Jahren der Armutsstreit tobte, der nicht nur den franziskanischen Orden, sondern mit ihm die Kirche zu zerreißen drohte. Das franziskanische Generalkapitel zu Perugia i. J. 1322 erklärte einmütig als gesunde katholische Lehre, dass Christus und die Apostel kein Eigentum besessen haben. Diese Erklärung wurde von Papst Johannes XXII. schlichtweg als häretisch erklärt - in der Konstitution vom 12. Nov. 1323 'Cum inter nonnullos' - und wer sie vertrat inquisitorisch verfolgt" [Ruh, Eckhart, S. 159].

  Schließlich merkt Hillenbrand noch an: "Meister Eckhart lebte, solange er sich in Straßburg aufhielt, auf einer Baustelle. Seine Brüder hatten sich 1307 dazu entschlossen, ihre Klosterkirche in großem Stile umzubauen. (...) Der Baulärm drang in sein Arbeitszimmer und er konnte die Zimmerleute bei ihrer Arbeit beobachten, wie sie die Gerüste aufstellten oder den Dachstuhl aufrichteten. Überraschend häufig griff Eckhart das lebensnahe Motiv der Zimmerleute in seinen Predigten auf (6, 17, 38, 47, 50 und 61). (...) Solange das hohe Dach der Klosterkirche noch nicht den Blick versperrte, konnte er wohl direkt hinüber zum Münster schauen. Dort ging es zur selben Zeit noch lebhafter zu, da man eben dabei war, das Westwerk der Bischofskirche unter der Bauleitung von Erwin von Steinbach fertigzustellen. 1318 setzte man das prachtvolle Rosenfenster ein" [Hillenbrand, Ss. 152. 155 f.]. (Hinzuzufügen wäre noch Predigt 103 - s. zur Datierung der Predigt 38).

  Ob Eckhart auf dem Generalkapitel zu Pfingsten in Wien und oder dem Provinzkapitel der Teutonia im September ebenfalls in Wien anwesend war, ist nicht bekannt. [3.8.06]

1323
  Am 18. Juli wird Thomas von Aquin von Johannes XXII. heiliggesprochen.
  Ob Eckhart auf dem Generalkapitel zu Pfingsten in Barcelona anwesend ist, ist unbekannt. Am 7. August stirbt Hervaeus Natalis, wodurch das Amt des Ordensmeisters bis zum Generalkapitel im nächsten Jahr vakant bleibt. Damit ist unklar, ob Hervaeus oder sein Nachfolger Eckhart als Lektor nach Köln an das seit 1248 bestehende, einzige Generalstudium des Ordens in Deutschland schickte.
  Sollte Eckhart auch in diesem Jahr noch als Vikar gewirkt haben, so nahm er möglicherweise im September an dem Provinzkapitel der Teutonia in Basel teil, auf dem zum zweiten Male Heinrich von Grüningen zum Provinzial gewählt wurde. Heinrich war das erste Mal 1310 bestimmt worden, nachdem zuvor Eckhart zum Provinzial gewählt wurde, was aber vom Generalkapitel nicht bestätigt worden war. [18.8.06]

1324
  Auf dem Generalkapitel zu Pfingsten in Bordeaux wird Barnabas von Vercelli zum neuen Ordensmagister bestimmt, der seit 1316 als Inquisitor die päpstliche Sache in der Lombardei vertreten hatte und dort seit 1318 auch Provinzial gewesen war: "die bisherige Tätigkeit von Barnabas hatte ihn genügend als treuen Helfer des Papstes ausgewiesen, um unter Johannes XXII. für das höchste Amt im Orden geeignet zu sein" [Hillenbrand, Kurie, S. 512].
  Frühestens 1323, wahrscheinlicher 1324, wird Eckhart vom Ordensgeneral wieder zum Generalstudium der Dominikaner nach Köln geschickt. Er nimmt dort als lector primarius den einzigen theologischen Lehrstuhl wahr, den vor ihm u.a. Albertus Magnus innegehabt hatte. Neben seiner Lehrtätigkeit predigt er bei den Dominikanerinnen in St. Gertrud, den Zisterzienserinnen in St. Mariengarten und den Benediktinerinnen in St. Machabaeorum (sofern diese Bestimmungen in den Predigten 13,14 und 22 von Quint und Koch richtig interpretiert wurden) und übte die Cura monialium aus. [Trusen, S. 63]
  Von 1323 bis 1327 befand sich auch Heinrich Seuse am Generalstudium in Köln, wo Eckhart sein Lehrer war, dessen Lehren Seuse trotz des Prozesses gegen Eckhart in seinem "Büchlein der Wahrheit" (zw. 1327 und 1329) verteidigte, was er wiederum gegenüber den Ordensoberen rechtfertigen mußte und weshalb er schließlich 1330 auf dem Generalkapitel in Maastricht gemaßregelt wurde. [3.8.06]

1325
  Aufgrund von Mißständen im Orden ("Unfriede und Mißgunst, Nichtbeachtung der Ordensobservanzen, Willkür der Oberen gegen sittenstrenge Untergebene") ernennt Johannes XXII. am 1. August (mit Benachrichtigung des Ordensgenerals Barnabas von Vercelli) zwei Visitatoren, Benedict von Como und Nikolaus von Straßburg, letzterer selbst Predigerbruder und mit der Seelsorge befaßt sowie Verfasser einer "Summa", die der Naturphilosophie und der Ethik gewidmet ist und als enzyklopädische Kompilation Lehrzwecken diente. Möglicherweise hatte Nikolaus in Bologna die Rechte studiert, was ihn für diese Tätigkeit besonders qualifiziert hätte.
  Da Nikolaus vom Papst als lector in conventu Coloniensi bezeichnet wurde, kann man ihn als Lektor am Konvent ansehen, während Eckhart Lektor am Generalstudium war. Die Visitatoren waren ermächtigt, Ordensangehörige ihrer Ämter und Stellungen zu entheben und sie an einen anderen Konvent zu versetzen. Außerdem obliegt ihnen auch die Aufsicht über die Frauenseelsorge, und sie können Stellvertreter einsetzen.
  Von einer Tätigkeit Benedikts von Como berichten die Quellen nichts, weshalb die Visitation vielleicht alleinige Angelegenheit des Nikolaus von Straßburg war, der auch sofort tätig wird. So setzt er z.B. am 3. Dezember duos syndicos et nuntios in quadam causa conv. Basiliensis ein. Seine Untersuchung des Kölner Predigerklosters löst außerdem disziplinarische Maßnahmen und eine Exkommunikation aus. [Ruh, Eckhart, S. 168]. Anscheinend gab es im Kloster Reformwillige wie -unwillige. Letztere legten dem Visitator (wohl als Gegenmaßnahme) im Herbst oder Winter 1325/26 Sätze aus dem Liber benedictus (dem Trostbuch und der Predigt Vom edlen Menschen) als häresieverdächtig vor (s. Acta n. 45). Vermutlich handelte es sich um dieselben 13 Exzerpte aus dem Trostbuch und zwei aus der Predigt, die auch in der ersten Liste erscheinen werden. [Trusen, S. 63-65]

  Interessanterweise reichen die Auszüge nur bis zu jener Stelle im Trostbuch, an der Eckhart sagt: "Darüber (...) das suche hinter dem Schluß dieses Buches, wo ich schreibe »Vom edlen Menschen, der auszog in ein fernes Land, um ein Reich zu empfangen und wiederzukommen«"
  Die Auszüge der Inquisitoren enden an dieser Stelle im Trostbuch und machen mit der Predigt weiter. Der Rest des Trostbuches bleibt unbeanstandet. Das könnte bedeuten, dass sie das letzte Drittel nicht kennen konnten, weil es noch nicht fertiggestellt war (s. zur Datierung).

  Unter der Ägide des Erzbischofs Heinrich II. von Virneburg, der während seiner langen Amtszeit (1304-1332) besonders gegen die Brüder und Schwestern vom Freien Geiste und gegen die Begarden vorging, wurde in diesem Jahr eine größere Anzahl Begarden verurteilt, verbrannt oder im Rhein ertränkt [Ruh, Eckhart, S. 169].
  Angesichts dieser Umstände dürfte Eckhart gewarnt gewesen sein, die Vorwürfe wegen Häresie nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, auch wenn er sich als hochrangiges Mitglied des Ordens relativ sicher gefühlt haben dürfte.

  Vielleicht hält Eckhart am 2. September die Predigt Zum edlen Menschen, von der er im Trostbuch sagt, dass diese dem Buch folgt. Die Predigt wurde demnach gehalten, bevor er die Arbeit am Trostbuch beendet hatte. [2.7.06]

1326
  Auf die vorgelegten Sätze antwortet Eckhart mit einer schriftlichen Erwiderung, die mit Requisitus beginnt. Diese Erwiderung ist zwar nicht mehr erhalten, jedoch lassen sich einige Thesen aus der Liste, die ihr zugrunde lag, rekonstruieren (s. Acta n. 45).
  Nikolaus spricht Eckhart von allen Verdächtigungen frei. Allerdings besaß dieser Freispruch keine eigentliche Rechtswirksamkeit, sondern entsprach eher dem Rang einer gutachterlichen Stellungnahme.
  Am 5. April erläßt Erzbischof Heinrich eine Anordnung an die Obrigkeit der Stadt Köln, alle der Häresie verdächtigen Personen zu ergreifen und seiner Gerichtsbarkeit auszuliefern. Augenscheinlich ermutigt das die wohl ordensinternen Gegner, trotz des Freispruches nicht nur weiter gegen Eckhart vorzugehen, sondern auch den Visitator Nikolaus selbst anzuzeigen.
  Da sowohl Nikolaus als auch Eckhart ihre Gegner nicht beim Namen nennen, sondern sie nur als emuli (Neider, Mißgünstige) bezeichnen, kann davon ausgegangen werden, dass die "Hintermänner" zu dem damaligen Zeitpunkt allen Beteiligten durchaus bekannt waren. Als Ankläger erschienen jedoch Hermann de Summo und Wilhelm von Nidecke, die als notorische Intriganten, Zuträger, Falschzeugen und Verleumder stadtbekannt waren. Aufgrund deren Denunziation mußte der Erzbischof das Verfahren gegen Eckhart eröffnen, was ihm - wie Ruh meint - wohl gelegen kam, da er anscheinend ein starkes, wenn nicht sogar ein persönliches Interesse an dessen Verurteilung hatte, dessen Gründe (wenn es sie gab) jedoch unbekannt sind. [Ruh, Eckhart, S. 169]
  Aber vielleicht hatte der Erzbischof auch wesentlich profanere Ziele vor Augen und war an Eckhart in keinster Weise persönlich interessiert:

  "Auf der Frühjahrssynode von 1326 geht es um die Finanzen der Diözese. Papst Johannes hat dem Erzbischof zur Minderung der ungeheuren Schuldenlast Kölns die Erlaubnis erteilt, von den Kirchen und Klöstern seiner Kirchenprovinz ein mäßiges Subsidium zu erheben, in ihnen während zweier Jahre Visitationen zu halten und dafür die Gebühren zu kassieren. Diese Erlaubnis allein bringt dem Erzbischof aber noch kein Geld, da viele Kleriker Gründe finden werden, aus denen sie nicht zahlungsfähig seien. Er bemüht sich also in Verhandlungen mit dem Domkapitel um die Zustimmung des Klerus. Diese erhält er jedoch erst, nachdem er große Zugeständnisse gemacht hat. Drei Dinge muß er einschränken: Die Zollfreiheit von Kirchen und Klöstern; die Geld- und Dienstforderungen der erzbischöflichen Amtmänner und schließlich die Betätigung der Bettelorden in der Seelsorge.
  Des Geldes wegen muß Heinrich also auf den Einsatz dieser Orden zumindest teilweise verzichten. In der Auseinandersetzung zwischen Klerus und Erzbischof erweist sich der Klerus wegen seiner Finanzmacht als der stärkere. Die Seelsorge muß darunter leiden.
  Domkapitel, Prälaten, Kapitel und Klöster in Stadt und Diözese setzen sogar durch, dass Heinrich nicht nur den Bettelmönchen keine neue Privilegien verleiht, sondern sogar die alten in Bezug auf Predigt und Beichte widerruft" [Seng, S. 92 f.].

  Selbst ein Kölner Erzbischof konnte nicht mal eben mit einem Federstrich den Dominikanern oder Franziskanern die Seelsorge entziehen, da er davon ausgehen mußte, dass diese sich beim Papst beschweren würden, der seine Anordnungen wieder rückgängig machen konnte. Was also tun? In dieser Situation kommen ihm die ordensinternen Streitigkeiten gerade recht. Durch das Erheben der Anklage gegen einen Repräsentanten der Bettelorden (und da bot sich Eckhart anscheinend an) konnte er davon ausgehen, dass sich die Orden zumindest für den Verlauf des Verfahrens ducken und seine sonstigen Maßnahmen schlucken würden - und bei einer Verurteilung, so glaubte er wohl, würde selbst der Papst seine Maßnahmen akzeptieren müssen.
  Die Tatsache, dass Heinrich sich Eckhart vornahm, spricht für die Annahme, dass Eckhart bekannt in der Seelsorge war (also indirekt für sein "Straßburger Jahrzehnt"), denn wenn der Erzbischof einen bekannten Ordensseelsorger traf, konnte er sich hinstellen und sagen: seht her, welche Lehren gepredigt werden. Deshalb ist nur bei uns (dem Klerus) die Seelsorge in den richtigen Händen.
  Betrachtet man das Leben dieses Erzbischofs, der sich hervorragend mit politischen Intrigen auskannte und für den das Amt vor allem der damit verbundenen Macht (und des Geldes) wegen interessant war, so liegt der Verdacht nahe, die oben zitierten 'Hintermänner' im Kölner Klerus zu vermuten (der "kölsche Klüngel" dürfte auch damals schon existiert haben).

  Die Synode fand am 10. Februar statt - am 5. April erläßt Heinrich die Anordnung (s.o.). Einige Zeit später - der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt - wird das Verfahren gegen Eckhart eröffnet. Zwar gelingt es Heinrich, ihn zu diskreditieren (und vielleicht auch mitschuldig an seinem Tod zu sein), aber er hat die Rechnung ohne den Papst und die Macht des Ordens gemacht. Bis zu seinem eigenen Tod (1332) gelingt es ihm nicht, den Bettelorden die Seelsorge zu entziehen - im Gegenteil: gerade aus dem Zeitraum von 1320-1340 sind die meisten, nämlich 34, dominikanischen Seelsorger namentlich bekannt. [Löhr, S. 63]
  Das Generalkapitel des Ordens findet dieses Jahr zu Pfingsten (11. Mai) in Paris statt. Ob und wenn, in welcher Eigenschaft Eckhart daran teilnahm, ist nicht bekannt.

  Bei dem Verfahren handelte es sich um einen Inquisitionsprozeß cum promovente, der von Anfang an darauf angelegt war, Eckhart als Häretiker zu überführen [Trusen, Ss. 75. 78].
  Vielleicht auf Betreiben von Nikolaus von Straßburg wird der Provinzial der Teutonia, Heinrich von Grüningen durch das Generalkapitel zu Pfingsten seines Amtes enthoben und durch den ehemaligen Kölner Prior Heinrich de Cigno, der zu den Reformern gezählt werden kann, ersetzt [Trusen, S. 65]. Diese Wahl wird auf dem Provinzkapitel der Teutonia, wahrscheinlich am 8. September, in Koblenz bestätigt und de Cigno wird dieses Amt bis 1331 innehaben.

  Von einigen Predigten wird vermutet, dass Eckhart sie in den Jahren 1325/26 hielt. Dazu zählen die der relativen Chronologie von Quint wie die der "Liste" von Theisen, von der die Predigt 37 hier vorliegt. Des weiteren erscheint es sinnvoll, dass er die Predigt 43 an dem Tag (6. März) hielt, die Theisen für Pr. 18 reservierte (s. Datierung).
  Eine Untersuchung darüber, inwieweit die Geschehnisse dieses Jahres ihren Niederschlag (in welcher Form auch immer) in den Predigten finden, die Eckhart 1326 gehalten haben soll, ist meines Wissens bisher noch nicht erfolgt. [8.8.06]

26. September 1326
  Im Verlauf des Herbstes kommt es zu mehreren Untersuchungsverhandlungen, in denen Eckhart sich zu über hundert seitens der Inquisitoren inkriminierten Sätzen äußert, die sie in zwei Listen zusammenfassen. Davon entstammen 49 (48) aus den lateinischen Werken, dem Trostbuch und den deutschen Predigten und 59 sind Auszüge aus den Predigten.

  In seiner Responsio bestreitet Eckhart die Rechtmäßigkeit des Verfahrens:

  "Erstens gebe ich vor Euch Kommissaren Meister Re[i]nher von Friesland, Doktor der Theologie, und Bruder Petrus de Estate, neuerlich Kustos der Minderbrüder, folgende öffentliche Erklärung ab: Gemäß der Freiheit und den Privilegien unseres Ordens bin ich nicht gehalten, vor Euch zu erscheinen noch auf die [gegen mich erhobenen] Vorwürfe zu antworten, zumal ich nie der Häresie beschuldigt worden bin und niemals im Rufe (der Häresie) gestanden habe, wofür mein ganzes Leben und meine Lehre Zeugnis geben, und damit stehe ich im Einklang mit der Ansicht meiner Brüder des ganzen Ordens und des Volkes beiderlei Geschlechts im gesamten Umkreis der Ordensnation. - Daraus erhellt zweitens, dass der Auftrag, der Euch vom ehrwürdigen Vater, dem Herrn Erzbischof von Köln (dessen Leben Gott erhalten möge), erteilt wurde, keinerlei Rechtskraft hat, entstammt er doch verleumderischen Einflüsterungen, einer üblen Wurzel (also) und einem üblen Baum. Hätte ich geringeren Ruf beim Volke und minderen Eifer für die Gerechtigkeit, so wäre gewißlich nichts dergleichen von meinen Neidern gegen mich versucht worden. Indessen kommt es mir zu, dies geduldig zu tragen, denn 'Selig sind die um der Gerechtigkeit willen leiden' und 'Gott züchtigt einen jeglichen Sohn, den er annimmt', nach den Worten des Apostels Paulus, auf dass ich mit Recht mit dem Psalmisten sage: 'Ich bin auf Züchtigung gefaßt' [Ruh, Eckhart, S. 179]"
  Er schließt mit den berühmten Sätzen:
  "Irren kann ich, aber nicht ein Häretiker sein. Denn das erste betrifft den Verstand, das zweite aber den Willen" [s. Proc. col. I n. 80].

  Eckhart bekennt sich zu den Sätzen und weist dann darauf hin:

  "Es ist somit offenbar, dass in jedem der angeführten Sätze - die ich tatsächlich alle geschrieben und geäußert zu haben bekenne -‚ dass in einem jeden davon, sage ich, die Wahrheit und der Grund der Wahrheit ersichtlich wird, wie ich oben dargelegt habe. Es ergibt sich aber auch entweder die wirkliche Bosheit oder die gröbliche Unwissenheit meiner Widersacher, die in ihren grobsinnlichen Vorstellungen Göttliches, Hohes, Unkörperhaftes zu beurteilen sich unterfangen, im Gegensatz zu dem Worte des Boethius, De Trinitate: 'In göttlichen Dingen gilt es geistig zu denken und nicht zu bildhaftem Werk der Phantasie herabzusinken.'
  Ich verwahre mich nochmals dagegen, dass ich für dies oder für sonst etwas, was ich in den einzelnen Kommentaren über die verschiedenen Bücher der Schrift geschrieben habe, oder für beliebiges aus dem vielen andern mich vor Euch oder irgend jemand anderem als dem Papst oder der Pariser Universität zu verantworten hätte, es sei denn, dass es etwa (was ferne sei), den Glauben anginge, zu dem ich mich allzeit bekenne. Dennoch wollte ich, gleichsam als Werk der Übergebühr, jedoch unter Protest wegen der Freiheit meines Ordens, vor Euch diese Dinge aus freien Stücken darlegen, um nicht den Anschein zu erwecken, als ergriffe ich die Flucht vor dem, was mir fälschlich zugemutet wird" [s. Proc. col. I. n. 125]

  Eckhart beschließt seine Ausführungen mit einem Notandum:

  "Zum Schluß möchte ich bemerken: Wie in jedem einzelnen der Sätze, die ich gepredigt, gelehrt und geschrieben habe, die Unwissenheit und Beschränktheit derer zum Vorschein kommt, die solches zu entstellen trachten, so erhellt auch aus den obigen Erklärungen die Wahrheit dessen, was ich gesagt und geschrieben habe.
  Der Irrtum der Gegner liegt zunächst darin, dass sie alles, was sie nicht verstehen, für verkehrt halten und wiederum das Verkehrte für eine Ketzerei - während doch nur das hartnäckige Festhalten an einem Irrtum die Ketzerei und den Ketzer ausmacht, wie das Recht und die Lehrer sagen -
  zweitens, dass sie, mit dem Anspruch, als 'Inquisitoren gegen die Häresie' zu gelten, sich an meine Schriften heranmachen und Dinge beanstanden, die ganz und gar natürlich sind -
  drittens, dass sie als Ketzereien bekritteln, was der hl. Thomas ganz offen in den Lösungen zu gewissen Beweisgängen ausführt - die sie freilich nicht kennen oder nicht in Erinnerung haben, so über die Unterscheidung und den Begriff der Univoca, Aequivoca, Analoga und ähnliches - viertens, (...)
  fünftens, (...) desgleichen, indem sie meinen, es gebe für Gott zweierlei 'Jetzt' der Ewigkeit, eines, in dem er sei, ein anderes, in dem er schaffe, unbeschadet der Wahrheit, dass die Welt in der Zeit geschaffen ist; denn sie wissen nicht, was Augustinus über Gott sagt: 'Alles Morgige und darüber, alles Gestrige und zurück wirkst du heute, hast du heute gewirkt. Was kann ich dafür, wenn einer das nicht versteht?' -
  sechstens, dass sie selbst in ihrer Kritik gewisse falsche, häretische Ansichten aufstellen, z. B. dass der Mensch nicht könne mit Gott geeint werden, im Widerspruch mit der Lehre Christi und des Evangeliums. Joh. 17: 'Du Vater, in mir und ich in dir, auf dass auch sie in uns eins seien' -
  siebentens, (...) achtens, (...) Das möge für jetzt genügen!" [s. Proc. col. II. Notandum]

  Leider realisiert Eckhart nicht, dass seine Einlassungen niemanden interessiert. All seine Gelehrsamkeit und Würde verpufft vor dem einzigen Merkmal, dass seine Inquisitoren eine klare Vorgabe des Erzbischofs haben: "Seht zu, dass ihr ihn verurteilt bekommt. Wenn dieser Magister von der Bildfläche verschwindet, haben wir gute Argumente gegen die Prediger. Und dann kann ich euch auch - vielleicht - bezahlen!" (Ob Heinrich sich sinngemäß so geäußert hat, sei dahingestellt. Es ist natürlich polemisch gemeint.)

  Danach wird dem Erzbischof eine dritte Liste vorgelegt mit Sätzen aus dem Johanneskommentar, die von Nikolaus von Kues bestätigt werden wird und sich teilweise rekonstruieren läßt laut Sturlese, der in der Einleitung zu n. 48 schreibt:
  "Der Verhandlung vom 26. September, worauf sich die Soester Dokumente beziehen, gingen also nach Trusen mindestens zwei Gerichtssitzungen voraus: eine erste, in der die Anklageschrift bekannt gemacht wird und die erste Zeugenvernehmung stattfindet, und eine zweite, in der sich aus der Beweisaufnahme eine schriftliche Liste von Artikeln (I. Rotulus) ergibt, die dem Angeklagten mit der Festsetzung einer Einlassungsfrist (zum 26. September 1326) übergeben wird. Erst dann kommt eine dritte Verhandlung am 26. September, an der Eckhart die 1. Liste beantwortet. Im Rahmen einer weiteren Beweisaufnahme bekommt er eine weitere Liste mit der entsprechenden Einlassungsfrist. Es folgt eine vierte Verhandlung, in der er zur II. Liste Stellung nimmt. Das Soester Dokument setzt also nach Trusen wenigstens vier bis fünf Gerichtssitzungen voraus, die sich freilich bis zum Datum von Eckharts Appellation an den Apostolischen Stuhl (24. Januar 1327) fast verdoppeln mußten, wissen wir doch, dass er in der Zwischenzeit eine dritte und vielleicht noch eine vierte Liste zur Beantwortung bekam" [Sturlese, Responsio, S. 257 f.]. [7.7.06]

1327
Avignon
Votum

  Aufgrund des gegen Nikolaus von Straßburg eingeleiteten Verfahrens erscheint dieser am 14. Januar vor dem Inquisitionsgericht, erhebt Einspruch gegen die Vorladung und appelliert an den hl. Stuhl. Dies wiederholt er am nächsten Tag in der Wohnung des Kommissars Reinher Friso und vor dem Kommissar Albert von Mailand im Konvent der Franziskaner.

  Eckhart, langsam aber sicher genervt von dem ganzen Procedere, den ständigen Vorladungen, dem ewigen Insistieren auf Aussagen, die er den Inquisitoren geduldig immer wieder neu erklärt, beschließt, dem ein Ende zu bereiten und in die Offensive zu gehen. Am 24. Januar läßt er vor den beiden Untersuchungsrichtern eine Appellation verlesen, die er in seinem und dem Namen seines Ordens begründet, und fordert eine Entscheidung des Papstes Johannes' XXII.. Er will sich vor ihm in Avignon verantworten. Gleichzeitig geht er an die Öffentlichkeit. Im Anschluß an eine Predigt in der Dominikanerkirche läßt er von seinem Mitbruder Konrad von Halberstadt am 13. Februar eine Protestatio auf Latein verlesen, die er anschließend ins Deutsche übersetzt:

  Ich, Meister Eckhart, Doktor der heiligen Theologie, erkläre, Gott zum Zeugen anrufend, vor allem, dass ich jeglichen Irrtum im Glauben und jede Abirrung im Lebenswandel immer, so viel es mir möglich war, verabscheut habe, da Irrtümer dieser Art meinem akademischen Status und Mönchsstand widerstritten hätten und noch widerstreiten. Aus diesem Grunde widerrufe ich, sofern sich in dieser Hinsicht etwas Irrtümliches finden sollte, was ich geschrieben, gesprochen oder gepredigt hätte, privat oder öffentlich, wo und wann auch immer, unmittelbar oder mittelbar, sei es aus schlechter Einsicht oder verkehrten Sinnes: das widerrufe ich hier öffentlich und vor Euch allen und jeglichem, die gegenwärtig hier versammelt sind, weil ich dieses von nun an als nicht gesagt oder geschrieben betrachtet haben will, besonders aber auch, weil ich vernehme, dass man mich übel verstanden hat: so, als hätte ich [z.B.] gepredigt, mein kleiner Finger habe alles geschaffen. Das habe ich weder gemeint noch gesagt, wie die Worte lauten, sondern ich habe es von den Fingern des Knaben Jesu gesagt. Und dann, ein Etwas sei in der Seele, um dessentwillen sie, wenn die ganze Seele so wäre, als ungeschaffen zu bezeichnen wäre [s. Bulle 27, Votum 4]: dies halte ich mit den Doktoren, den Kollegen, nur dann für wahr, wenn die Seele dem Wesen nach Intellekt wäre. Niemals habe ich auch meines Wissens gesagt, noch bin ich der Meinung gewesen, dass etwas in der Seele sei, was zwar ein Teil der Seele sei, indes ungeschaffen und unschaffbar, weil so die Seele aus Geschaffenem und Ungeschaffenem bestände. Vielmehr habe ich das Gegenteil geschrieben und gelehrt, wenn nicht einer (kommt und) erklärt, ungeschaffen und nicht geschaffen hieße so viel wie nicht an und für sich erschaffen, sondern hinzugeschaffen. - Vorbehaltlich aller (dieser Richtigstellungen) korrigiere und widerrufe ich, wie ich (eingangs) gesagt habe, und ich werde im allgemeinen wie im einzelnen und immer, wann es dienlich sein wird, alles korrigieren und widerrufen, wovon sich ermitteln ließe, dass es keinen ganz gesunden Sinn hat. ([Ruh, Eckhart, S. 182] - s. den vollständigen Text)

  Am 22. Februar erfährt Eckhart, dass seine Appellation abgelehnt wurde:

  Wir haben es nicht für recht befunden, der Appellation, die Meister Eckhart neulich vor uns und von uns (ergänze: an den Papst) eingelegt hat, stattzugeben, weil sie evident unbegründet ist, wie sich aus den von uns geführten Verhandlungen in Sachen des gegen denselben Meister Eckhart schwebenden Inquisitionsverfahren offenbar ergibt. Wir gewähren ihm diese unsere Antwort anstelle der "apostoli" und beauftragen euch Notare, über diese Gewährung der "apostoli" für uns eine offizielle Urkunde anzufertigen. [Koch, Studien, S. 331]

  Es steht Eckhart jedoch frei, mit diesem negativen Bescheid selbst beim Papst in Avignon vorzusprechen. Also begibt er sich im Alter von wohl 67 Jahren mit Unterstützung von Teilen seines Ordens und begleitet vom Provinzial der Teutonia, Heinrich de Cigno, sowie drei Lektoren auf diese Reise (s. Koch, Studien, S. 334). Als seine drei Begleiter vermutete Trusen Nikolaus von Straßburg, Konrad von Halberstadt (den Jüngeren) und Otto von Schauenburg. [Trusen, S. 113]
  Ebenfalls auf den Weg machen sich entweder Hermann de Summo oder Wilhelm von Nideggen (oder beide) im Auftrag Heinrichs II. von Virneburg, ausgestattet mit den Prozeßakten und vielleicht auch anderem, Eckhart belastendem Material.

  Da es über den Verlauf des Prozesses in Avignon nur wenige Quellen gibt, die zudem keine konkreten Zeitangaben machen, können die Monate bis zu Eckharts Tod nur indirekt anhand des wahrscheinlichen Ablaufes erschlossen werden. [12.7.06]

Avignon
  Die Strecke von Köln bis Avignon beträgt etwa 900 km. Außerdem ist bekannt, dass Nikolaus von Straßburg zwischen dem 31. Mai und dem 2. Juni auf dem zu Pfingsten abgehaltenen Generalkapitel des Ordens in Perpignan als Definitor anwesend war (s. Acta n. 64). Perpignan liegt etwa weitere 180 km südlich von Avignon, oder gut eine Woche zu Fuß entfernt.
  In Anbetracht der allgemeinen Reisebedingungen, dass Eckhart nicht mehr zu den Jüngsten zählte und das damit für die 900 km gut fünf bis sechs Wochen Fußweg zu gehen waren, und das wohl auch noch diverse Vorbereitungen getroffen werden mußten, wird sich die Gruppe wahrscheinlich mit Frühlingsanfang auf den Weg gemacht haben und Anfang bis Mitte Mai in Avignon eingetroffen sein.
  Falls die Annahme zutrifft, dass Eckhart sich zusammen mit Nikolaus auf den Weg machte, könnte man Sturleses Angabe "Mitte 1327" präzisieren mit 'Mitte Mai 1327'.

  Zu diesem Generalkapitel ging aber auch der Provinzial Heinrich., d.h. es gilt noch die Identität der verbleibenden zwei Lektoren zu befragen. Sollte einer der beiden Konrad von Halberstadt geheißen haben, so kann man hier zwischen zwei Anwärtern unterscheiden. Trusens Argumentation für 'den Jüngeren' kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich sehe hier nur den Diffinitor von 1321 (Trusen, S. 113). Falls er das war: hätte Konrad sich dann nicht auch auf den Weg nach Perpignan gemacht ?
  Als vierten Mann vermutete Trusen Otto von Schauenburg.
  Gut, man weiß es nicht. Während Heinrich sicher ist, sind Nikolaus und Konrad schon Spekulation, aber immerhin gut begründete, während Otto mir noch sehr unsicher erscheint.

  Während Nikolaus sich bald darauf auf den Weiterweg nach Perpignon macht (wie vielleicht auch Konrad und doch wohl sicherlich der Provinzial Heinrich de Cigno), verbleibt Eckhart im Avignoner Dominikanerkonvent und erwartet die kommenden Anhörungen.
  Nun war sein Fall einer unter vielen, die der Kurie zur Entscheidung vorlagen, so dass er nicht davon ausgehen konnte, dass sich alles ab seinem Eintreffen nur um ihn drehen würde. Immerhin wartete Wilhelm von Ockham (eine der wenigen Quellen für Eckharts Aufenthalt in Avignon - s. Acta n. 60) zu diesem Zeitpunkt bereits seit etwa einem Jahr auf seinen Prozeß (und wird noch ein weiteres Jahr warten, bis er sich dem im Mai 1328 durch Flucht entziehen wird).
  Im Mai 1327 dürften auch die Kronzeugen der Kölner Anklage, Hermann de Summo und Wilhelm von Nideggen, in Avignon eingetroffen sein und ihre Unterlagen übergeben haben. Um deren Auftreten im Verfahren zu verhindern, wendet sich der Generalprokurator des Ordens, Gerhard de Podahns (s. Acta n. 56), an den Papst mit der ausführlich begründeten Bitte, die beiden festzusetzen. Mit zumindest einem der beiden geschieht das auch, wobei nicht bekannt ist, mit welchem. Ob der andere überhaupt in Avignon erschien, ist ebenfalls unklar. Auf jeden Fall waren damit "die beiden Kronzeugen des Erzbischofs ausgeschaltet" [Koch, Studien, S. 334], was wohl für eine optimistische Stimmung der Freunde und Verteidiger Eckharts sorgte.

  Nun mußte das Kölner Material, dessen Umfang unbekannt ist, zunächst von einem Gremium oder auch einem Einzelnen (dem Magister sacri palatii nach Koch und Trusen) gesichtet und vorbewertet werden, was sicherlich einige Zeit in Anspruch genommen haben dürfte. In diesem Sieb blieben aber von den etwa 150 Kölner Artikeln nicht nur die 28 Sätze hängen, die Eckhart letztendlich angekreidet wurden, sondern auch viele Feinheiten wie dass z.B. ein Maimonides-Zitat (Proc. col. I n. 46) zu seinem eigenen Zitat wurde (Votum Art. 24 / Bulle Art. 23 - für eine ausführlichere Übersicht s. Koch, S. 336-338). [11.7.06]

Votum
  Erst nach Abschluß dieser Vorauswahl wird Eckhart zwischen Juni 1327 und Januar 1328 ein- oder mehrmal vor eine Theologenkommission zitiert, wo er zu den 28 übriggebliebenen Sätzen Stellung nehmen soll.
  Wie oft er vorgeladen wurde, ist nicht bekannt. Aufzeichnungen der Sitzung(en) sind nicht erhalten geblieben. Überliefert ist nur das Votum, in dem die Verteidigung Eckharts zusammengefaßt wiedergegeben ist, die nach übereinstimmender Meinung Kochs und Trusens "mangelhaft" war. "Er durfte keinen Advokaten herbeiziehen, und in Avignon fehlte ihm offenbar der Rat von Freunden, die wenigstens etwas von der rechtlichen Materie verstanden" [Trusen, S. 117].
  Wir wissen nicht, ob es Nikolaus und Konrad waren, die Eckhart begleiteten, und wo die beiden sich nach dem Generalkapitel aufhielten. Wahrscheinlich werden sie sich wieder auf den Rückweg nach Avignon gemacht haben und dort um den 10. Juni eingetroffen sein. Ebenso ist unbekannt, ob und wenn, wie lange sie sich dort aufgehalten haben und ob sie die Anhörung(en) noch mitbekamen oder nicht. Aber unabhängig davon waren sie Eckharts Freunde und den einen oder anderen Rat dürften sie ihm schon gegeben haben, der durchaus auch juristischer Art gewesen sein kann, da möglicherweise beide in Bologna studiert hatten - Nikolaus vielleicht 1295 oder 1309 und Konrad eventuell 1293. Aber auch hier öffnet sich leider nur das weite Feld der unbeweisbaren Vermutungen.

  "Dieses Gutachten ist sicher noch zu Lebzeiten Eckharts verfaßt, denn man bezieht sich auf unlängst stattgefundene Aussagen Eckharts" [Trusen, S. 116]. Einige Äußerungen von Pelster in seiner Einleitung zum Text des Gutachtens könnten auch als Hinweise auf Eckharts Gesundheitszustand gewertet werden. Zunächst stellt er fest: "Offenbar hat man, um Zeit zu gewinnen, die Urschrift auf vier Schreiber verteilt" (S. 1102) und merkt später an: "Zu dieser Annahme [eben das es sich um das Votum handelt] paßt gut die große Eile, mit der das Schriftstück von vier Schreibern abgeschrieben wurde. Die Theologen hatten erst in letzter Stunde ihr Gutachten vollendet" (S. 1106). In welcher letzten Stunde? Der Eckharts?
  Sollte Eckharts Zustand zur Jahreswende 1327/28 Anlaß zur Besorgnis gegeben haben (ob nun als "schwerkranker Mann" (Ruh) oder "in seiner letzten Krankheit" (Pelster) sei dahingestellt, dann war der Verlust seiner letzten Illusion sicherlich nicht ganz unschuldig daran. Wahrscheinlich war Eckhart davon ausgegangen, dass er die Möglichkeit erhalten würde, diese ihm angekreideten Sätze in seinem philosophisch - theologischen Zusammenhang darstellen zu können. Statt dessen muß er feststellen, dass diese Männer daran ebensowenig interessiert sind wie seine Ankläger in Köln. Im Gegenteil: es wird ihm mit Sicherheit nahegelegt, er solle umgehend und vollständig widerrufen, damit er als "Irrender" und nicht als "Häretiker" behandelt werden würde, was er nach der Bulle dann ja auch getan hat. Dieser Widerruf, der Anlaß zu vielen Kommentaren gegeben hat, ist insofern nur konsequent, als Eckhart nach einem durch und durch katholischen, Gott und der Lehre geweihten Leben nichts weniger gewünscht haben wird, als als 'Ketzer' zu sterben - schon um des eigenen Seelenfriedens willen.

  Wenn man aus der von Pelster diagnostizierten Eiligkeit, das Votum zum Abschluß zu bringen, und der mehrfach bemängelten Verteidigung Eckharts eine Aussage ableiten möchte, dann könnte man spekulieren: als die Anhörung(en) begannen, waren Nikolaus und Konrad nicht (oder nicht mehr) da und konnten somit als Freunde mit u.a. juristischem Rat nicht (mehr) beistehen. Das wiederum könnte auf den Bereich Hoch-/Spätsommer bis Winter hindeuten. Vielleicht sollte Eckhart das Votum noch zu lesen bekommen. Ob er es gelesen hat, weiß Gott - wenn überhaupt. [11.7.06]

1328
  Im Verlauf des Jahres 1328 (Koch, S. 314) bzw. "zw. Mitte 1327 und 1328 April 30, Avignon" (Sturlese, Acta n. 58) verfaßt der am 18. Dezember 1327 zum Kardinal ernannte Jacques Fournier und spätere Papst Benedikt XII. ein Gutachten über Eckhart anhand der Prozeßakten (zu denen auch das Votum gehört), das verloren ist, aber teilweise aufgrund von Zitaten aus zwei Werken des Johannes von Basel (Hiltalingen) rekonstruiert werden kann. Höchstwahrscheinlich hat sich Eckhart vor dem Kardinal nicht mehr persönlich verteidigen können, d.h. er war bereits verstorben oder nicht mehr vernehmungsfähig (s. 1329).

  Am 30. April beantwortet der Papst eine Anfrage des Kölner Erzbischofs Heinrich (die verlorengegangen ist), der wohl vom Tode Eckharts gehört hat und nun wissen will, was in der Inquisitionssache "Virneburg vs. Eckhart" weiter geschehen wird, weshalb der Papst ihm antwortet, das Verfahren laufe weiter:

  "[Hen]rico archiepiscopo Co[loniensi]. Anxiari te, frater, non oportet ratione negocii quondam Ay[cardi] de ordine predicatorum, nam super illo [pruden]ter proceditur et etiam, dante domino, celeriter ad decisionem debitam procedetur. Datum A[vinione] 11 Kal. Maii anno duodecimo." [Käppeli, S. 282-296, hier: 294]

  An Heinrich, den Kölner Erzbischof. Es ist nicht nötig, dass du dich, Bruder, ängstigst über das Verfahren im Fall des ehemaligen Aycardus vom Orden der Prediger, denn über jenen [den Fall] wird mit Umsicht vorangeschritten [= verhandelt] und wird auch, wenn Gott es gibt, schnell zur gebührenden Entscheidung vorangeschritten [= verhandelt] werden.
  Gegeben in Avignon an den 11. Kalenden des Mai im 12. Jahr.

  [Übersetzung von Edmund Tandetzki ].


  Zu diesem Zeitpunkt war Eckhart also definitiv verstorben. Nun wird der Papst den Brief des Erzbischofes nicht unbedingt am Tage des Erhaltes beantwortet haben, aber selbst wenn, so brauchte der Brief doch einige Zeit von Köln nach Avignon und den Erzbischof mußte erst die Nachricht ereilen, dass Eckhart gestorben war, so dass einige Wochen oder Monate nach seinem Tod vergangen waren, bis der Papst den Brief schrieb. Wieviele Wochen es nun genau waren, ist nicht bekannt.
  Es ist auch nicht bekannt, wo Eckhart nun seinem Schöpfer gegenübertrat, aber es spricht einiges dafür, dass das in Avignon im dortigen Dominikanerkloster geschah. Die Antwort hängt im Prinzip davon ab, welchen Termin für die Anhörung durch die Theologenkommission man setzt. Bei einem frühen Termin kann er durchaus noch die Zeit gehabt haben, die Rückreise nach Köln anzutreten, um dort auf das Ende seiner Verhandlung zu warten. Je näher der Termin jedoch zur Jahreswende rückt, desto unwahrscheinlicher wird die Rückreise. Man kann somit festhalten: Eckhart ist entweder in Avignon oder auf der Rückreise nach Köln oder vielleicht auch in Köln gestorben.

  Man weiß es nicht. Solange keine weiteren Dokumente aus dieser Phase aufgefunden werden, kann man nichts Konkreteres feststellen. [13.7.06]

27. März 1329
  In der Bulle In agro dominico verurteilt Johannes XXII 17 von 28 Eckhart zugeschriebenen Thesen als häretisch und 11 als "übel riechend".

  Damit war ein gutes Jahr nach Eckharts Tod vergangen, bis das Verfahren endlich seinen Abschluß gefunden hatte. Und somit hatte auch der Kardinal Fournier ausreichend Zeit, sein ausführliches und "sorgfältiges" (Trusen) Gutachten aufgrund der prozessuralen Unterlagen zu erstellen. Die Angabe bei Sturlese "zw. Mitte 1327 und 1328 April 30" kann so nicht stimmen, da Fournier erst im Dezember 1327 Kardinal wurde und Eckhart wohl nicht mehr persönlich befragen konnte. Demnach entstand das Gutachten anscheinend nach Eckharts Tod Anfang 1328 und vor dem 27. März 1329.

  "Die Ordensleitung ließ den Prozeß gegen Eckhart, so unangenehm er ihr sein mußte, als unvermeidbar geschehen, schwieg zum Verfahren und distanzierte sich nach dem Urteil von einem ihrer größten Söhne, indem dessen Schriften nicht in den Schriftstellerkatalog des Ordens aufgenommen wurden". [Ruh, Eckhart, S. 171] [13.7.06]

Nachsatz

1331 Mai 18, Vitoria
  Heinrich de Cigno wird auf dem Generalkapitel von seinem Amt als Provinzial der Teutonia entbunden. Am 1. Mai wurde Bernhardus Carrerie von Johannes XXII. zum Visitator der deutschen Ordensprovinz ernannt. Als Grund der Zwietracht, die im Orden ausgebrochen sei und beseitigt werden mußte, nannte Johannes die Unterstützung Ludwigs des Bayern durch deutsche Predigerbrüder. An diesem 18. Mai wird dem französische Dominikaner Carrerie alle Vollmacht als Generalvikar übertragen und auf dem folgenden Provinzkapitel in Straßburg 1332 zum Provinzial ernannt. "Im ältesten Katalog der Wahlkapitel der deutschen Ordensprovinz ist der Nachricht über die Erhebung Bernhards noch hinzugefügt, der bisherige Provinzial Henricus de Cigno sei vom Papst selbst abgesetzt worden" [Hillenbrand, Kurie, S. 514].

1332, Köln
  Heinrich II. von Virneburg, Erzbischof, stirbt im Alter von 86 oder 88 Jahren.

1334 Dezember 4, Avignon
  Johannes XXII., Papst, stirbt im Alter von 90 Jahren. [6.8.06]

Epilog

  1691 erscheint in Dillingen ein Buch mit dem hier nicht vollständig aufgeführten Titel: "Ephemerides Dominicano-Sacrae, das ist Heiligkeit und tugendvoller Geruch der auß allen Enden der Welt zusammen getragenen Ehren-Blumen deß himmlisch-fruchtbaren Lust-Gartens Prediger Ordens: mit täglich beygefügten authentischen Historien, uhralten Monumenten, curiosen Antiquitäten ..." in dessen zwei Bänden der Autor Friedrich Steill allerlei Erlesenes zu jedem Tag des Jahres zusammentrug, wobei er u.a. zum 28. Januar an das "seelige Gedächtnuß P. Eckhardi eines hocherleuchteten Lehrers und Doctors der H. Schrifft" gemahnte.
  Das sagt uns erstens, das seiner gedacht wurde und zweitens: unter dem 28. Januar. Auch wenn es schon 363 Jahre alt war, war das Gedächtnis doch noch stärker als heute (nach 678 Jahren - 2006), weshalb ich denke, dass es kein Fehler sein kann, den 28. Januar 1328 zu Eckharts Todestag zu erklären; auch wenn das nur einen symbolischen Wert besitzt (der trotzdem ziemlich nahe an der Wahrheit liegen kann: vom 28. Januar bis zum 30. April sind es etwa drei Monate, ausreichend Zeit, dass diese Nachricht im tiefsten Winter nach Köln gelangt und von dort in Form einer brieflichen Anfrage wieder nach Avignon zurück).

  Vielleicht sagte einer der Brüder, die ihm das letzte Geleit gaben: Er hat das Seine getan. Mögen seine Gebeine in Frieden ruhen. [13.7.06]

Anmerkungen
1  "Nachdem Saxonia 1303 von Teutonia losgeschieden worden war, wurde Meister Heinrich Eckhart oder Eckart erster Provinzial, s. Krömecke, gesch. Nachr. über das Domkl. in Dortmund. 1854, S. 6 [S. 5, Anm. 9]."
"Jünger als Berthold war der gefeierte Prediger Heinrich Eckhart, gewöhnlich Meister Eckart genannt, der oben genannte Provinzial von Sachsen (s. K. Schmidt, in theol. Studien und Kritiken 1839, S. 663 ff. und Neander VI, S. 520 ff.)" [Rein, S. 7, Anm. 14]
2  "Bei C. Schmidt z.B. verschwindet der einst so hochberühmte Heinrich Eckhart..." und Anm. 1: "Es läßt sich nicht mehr feststellen, wie Schmidt auf diese Namensform kam (..). Bei anderen (..) findet man Johannes Eckhart. Hierfür ist möglicherweise die Predigtzuweisung bei Pfeiffer, S. 590, 18, die bruoder Johannes als Verfasser nennt, als Ursache anzusehen (..)" [Degenhardt, S. 134/35]. Eine andere Möglichkeit für die Beliebtheit des Namens Johannes besonders im angelsächsischen Raum besteht in der Übersetzung der ersten Taulerdrucke - vor allem dem Surius-Tauler - in die englische Sprache. Hier könnte durch den Autor - Johannes Tauler - der Vorname auch für Eckhart Verwendung gefunden haben (s. Taulerdrucke).

  Der Name 'Heinrich' ist der meistgebrauchte weltliche Name in Eckharts Predigten (z.B. in 17, 25, 64, 65, 67, 77). [7.1.09]

Einige Namen

Heinrich II. von Virneburg
  * (Virneburg bei Mayen) 1244 oder 1246, † 5.1.1332
Politiker, Erzbischof. - 1288 beteiligt er sich auf der Seite der Gegner Erzbischof Sifrids von Köln an der Schlacht von Worringen. Im gleichen Jahr erlangt er zwei Pfarreien, obwohl er die Priesterweihe nicht empfangen hat. Er bemüht sich nicht um Dispens. Mehr als sieben Jahre lang behält er die Einkünfte aus den Pfarreien zu Unrecht. Erst 1295 wird er vom Papst Bonifaz VIII. auf Initiative des Königs Adolf von Nassau von aller ihm deswegen anhaftender Irregularität befreit. Mit dem König ist Heinrich verwandt und mit dessen Regierungsantritt (1292) beginnt auch seine eigene, steile Karriere. Er ist sein Kaplan, erhält etliche Kanonikate, die Dompropstei Kölns und verwaltet die Archidiakonate von Trier und Köln. 1306 wird er vom Papst Clemens V. zum Erzbischof von Köln erhoben. Damit ist er einer der einflußreichsten Fürsten des Reiches. Er ist Kurfürst und Reichskanzler für Italien. Bekannt wird er vor allem durch seine horrenden territorialen und finanziellen Forderungen bei den Wahlverhandlungen 1308 (Heinrich VII.) und 1314 (Ludwig IV.) sowie durch seine Erfolge, Mitgliedern seiner Familie möglichst gut dotierte Posten zu verschaffen. Er ist kein Theologe, hat keinen akademischen Grad erworben und wohl auch nie gepredigt. [Seng] [2.6.01]

Konrad von Halberstadt
* (1277), † (1355/59)
  Infolge der Unterscheidungsschwierigkeiten zwischen zwei Dominikanern gleichen Namens im 14. Jh. läßt sich für Konrad den Älteren nur seine Teilnahme am Generalkapitel 1321 in Florenz als Vertreter der Saxonia und seine Tätigkeit als Beauftragter Meister Eckharts in dessen Inquisitionsprozeß 1327 in Köln mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen. Umstritten ist auch die Autorenschaft Konrad des Älteren für diverse Schriften, u.a. für die naturkundliche Konversationsschrift "Responsorium curiosorum", die unterhaltsame Scherzschrift "Mensa philosophica" oder eine bekannte Bibelkonkordanz. Wahrscheinlich ist Konrad nur als Verfasser einer "Postilla super librum Sapientiae" ("completa a. 1351") zu betrachten, deren einzige Danziger Handschrift heute verloren ist. D. Berg, [LdM V, Sp. 1358 f.]
  Auf Konrad den Älteren werden die Daten vor 1342 bezogen, die späteren auf den Jüngeren. Im Jahr 1293 hat sich an der Universität Bologna ein Cunradus Halberstat eingeschrieben; ob das Zeugnis auf Konrad den Älteren zu beziehen ist, bleibt offen. Im Auftrage Eckeharts verliest er eine Klagschrift (24. Jan. 1327) und wird im Protokoll als vir religiosus frater Conradus de Halberstat ordinis predicatorum domus Coloniensis bezeichnet. Im Februar desselben Jahres trägt Konrad eine lateinische Erklärung Eckeharts öffentlich vor, die dieser selbst sogleich Punkt für Punkt dem anwesenden Volk in der Muttersprache erläutert. (Die Mensa philosophica stammt von keinem der beiden).
  Erwin Rauner, Konrads von Halberstadt O.P. "tripartitus moralium", Lang Frankfurt am Main u.a., 1995, S. 17-19.
  Rainer Leng (Konrad von Halberstadt O.P. Chronographia Interminata 1277-1355/59, Reichert Wiesbaden 1996, S. 4-8) argumentiert, dass Konrad das Studium der Rechte in Bologna 1293 im Alter von etwa 16 Jahren begann (deshalb 1277), aber keinen Abschluß machte, da das im Protokoll vom Januar 1326 vermerkt worden wäre. Er verfügte trotzdem über juristische Kenntnisse, was ihm als Diffinitor zugute kam. Ein weiterer Beleg erscheint Leng die Appellation von Angehörigen der Universität Paris vom Mai 1311, die ein Conrardus de Alberstat de Alemania mitunterzeichnete.
  Dies wird zwar Konrad dem Jüngeren zugeschrieben, aber Leng denkt an den Älteren, dass dieser hier ein Theologiestudium aufnahm und damit Eckhart begegnete, der zu dieser Zeit ebenfalls in Paris war. Von daher erscheint es naheliegend, dass Eckhart bei Appellation und Protestatio auf einen langjährigen, juristisch gebildeten Weggefährten vertraute. Leng geht auch davon aus, dass die Schriften Mensa philosophica und Responsorium curiosorum aus seiner Feder stammen. Demnach hätte es sich um einen humorvollen Menschen gehandelt.
  Das einzige echte Zeugnis ist die erst 1988 wiederaufgetauchte Danziger Hs., die Konrads am 9. März des Jahres 1351 fertiggestellten Sapientiakommentar enthält. Zu diesem Zeitpunkt dürfte er etwa 74 Jahre alt gewesen sein. [13.7.06]